Trübe Wasser sind kalt
über. Ich betrat Eddings' Flur, und seine Präsenz überwältigte mich, wohin ich auch blickte. Seine penible Art war zu spüren an dem minimalistischen Mobiliar, den indianischen Teppichen und polierten Böden, seine Wärme war zu ahnen angesichts der sonnig gelben Wände mit den gewagten Drucken. Feine Staubschichten hatten sich gebildet, die überall dort aufgewirbelt waren, wo die Polizei vor kurzem Schränke oder Schubladen geöffnet hatte. Begonien, Ficus, Kriechfeige und Alpenveilchen schienen den Verlust ihres Herrn zu betrauern, und ich schaute mich nach einer Gießkanne um. Als ich in der Wäschekammer eine fand, füllte ich sie und begann, die Pflanzen zu gießen, weil ich es für unsinnig hielt, sie sterben zu lassen. Ich hörte Benton Wesley nicht hereinkommen. »Kay?« Seine Stimme war leise hinter mir.
Ich drehte mich um, und er bekam Besorgnis mit, die nicht ihm galt.
»Was machst du da?« Er sah zu, wie ich Wasser in einen Topf goß. »Genau das, wonach es ausschaut.« Er verstummte, sah mich aber weiter an.
»Ich kannte ihn, kannte Ted«, sagte ich. »Nicht besonders gut. Aber er war beliebt bei meinen Leuten. Er hat mich oft interviewt, und ich habe ihn respektiert… Also…« Ich verlor den Faden.
Wesley war dünn, wodurch seine Züge noch schärfer hervortraten. Sein Haar war mittlerweile völlig weiß, obwohl er nicht viel älter war als ich. Er sah müde aus, aber alle, die ich kannte, sahen müde aus, und die Trennung war ihm nicht ins Gesicht geschrieben. Er sah nicht elend aus, weil er nicht mehr mit seiner Frau oder mit mir zusammen war.
»Pete hat mir das mit euren Autos erzählt«, sagte er. »Ziemlich unglaublich«, sagte ich, während ich weiter die Pflanzen goß.
»Und der Detective. Wie heißt er noch? Roche? Ich muß mit seinem Chef reden. Wir warten zwar immer, bis die andere n anrufen, aber sobald wir in Verbindung sind, werde ich etwas sagen.«
»Dazu brauche ich dich nicht.«
»Mir macht es garantiert nichts aus«, sagte er. »Mir wäre lieber, du würdest nichts unternehmen.«
»Na gut.« Er hob ergeben die Hände und sah sich im Zimmer um. »Er hatte Geld und war viel unterwegs«, sagte er. »Jemand hat sich um seine Pflanzen gekümmert«, erwiderte ich. »Wie oft?« Er betrachtete sie.
»Um die Grünpflanzen mindestens einmal die Woche, um die blühenden jeden zweiten Tag. Hängt davon ab, wie warm es hier drin wird.«
»Und die hier sind eine Woche lang nicht gegossen worden?«
»Oder länger«, sagte ich.
Inzwischen waren Lucy und Marino ins Haus und den Flur entlang gekommen.
»Ich möchte mir die Küche ansehen«, fügte ich hinzu, als ich die Gießkanne hinstellte. »Gute Idee.«
Die Küche war klein und sah aus, als wäre sie seit den Sechzigern nicht mehr renoviert worden. In den Schränken fand ich altes Geschirr und Dutzende von Büchsen, Thunfisch und Suppen, und kleine Snacks, Brezeln und so. Im Kühlschrank hatte Eddings hauptsächlich Bier. Mich aber interessierte eine einzelne Flasche Champagner, Louis Roederer Cristal, die mit einer großen roten Schleife versehen war. »Was gefunden?« Wesley schaute unter die Spüle. »Vielleicht.« Ich spähte immer noch in den Kühlschrank. »Die kostet dich in einem Restaurant etwa hundertfünfzig Dollar, vielleicht hundertzwanzig im Laden.«
»Wissen wir, wieviel dieser Kerl verdient hat?«
»Ich weiß es nicht. Aber ich vermute, es war nicht gerade viel.«
»Da unten hat er eine Menge Schuhcreme und Reinigungsmittel, und das ist schon alles«, sagte Wesley und stand auf. Ich drehte die Flasche um und las das Preisschild auf dem Etikett. »Hundertdreißig Dollar, aber nicht hier gekauft. Soweit ich weiß, gibt es in Richmond keinen Weinladen mit dem Namen The Wine Merchant.«
»Vielleicht ein Geschenk. Würde die Schleife erklären.«
»Wie war's mit D.C.?«
»Ich weiß nicht. Ich kaufe in letzter Zeit wenig Wein in D. C.«, sagte er.
Ich machte die Kühlschranktür zu, insgeheim erfreut, denn er und ich hatten immer gern Wein getrunken. Früher hatten wir uns gern einen guten Wein gegönnt, während wir eng nebeneinander auf der Couch oder im Bett saßen.
»Er hat nicht viel eingekauft«, sagte ich. »Es sieht nicht danach aus, als hätte er je hier gegessen.«
»Es sieht mir nicht einmal danach aus, als sei er überhaupt je hier gewesen«, meinte er.
Ich spürte seine Nähe, als er zu mir trat, und es war fast nicht auszuhalten. Sein Rasierwasser duftete immer dezent nach Zimt und Holz, und
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