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Trübe Wasser sind kalt

Trübe Wasser sind kalt

Titel: Trübe Wasser sind kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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und ich konnte kaum den achteckigen Musikpavillon oder den Bronzesoldaten auf seinem hohen Podest gegenüber dem James River ausmachen. Um meinen Mercedes standen Polizisten und ein Fernsehteam, und die Leute waren auf ihre großen Veranden getreten, um zu gaffen. Als ich langsam vorbeifuhr, konnte ich nicht erkennen, ob mein Wagen beschädigt war, aber die Fahrertür war offen und das Innenlicht angeschaltet. Hinter de r 29. Straße führte die Fahrbahn in eine Senke, die Sugar Bottom hieß, benannt nach den Prostituierten, die einstmals den feinen Herren Virginias zu Diensten gewesen waren, oder vielleicht auch nach einer Schwarzbrennerei. Ich kannte mich in der Überlieferung nicht so aus. Restaurierte Häuser wichen abrupt den Wohnungen von Ghetto-Miethaien und schiefen Wellblechhütten, und jenseits des Gehsteigs, auf halbem Weg den steilen Hang hinab, befand sich ein dichter Wald, wo in den zwanziger Jahren der Eisenbahntunnel eingefallen war.
    Mir fiel ein, daß ich einmal in einem Hubschrauber der Staatspolizei über diese Gegend geflogen war, wo die schwarze Tunnelöffnung zwischen den Bäumen klaffte, das Gleisbett eine schlammige Narbe, die zum Fluß führte. Ich dachte an die Eisenbahnwagen und die Arbeiter, die da drinnen vermutlich noch begraben waren. Ich konnte mir immer noch nicht vorstellen, warum Danny hier freiwillig hergekommen sein könnte. Wenn schon aus keinem anderen Grund, dann hätte er sich auf jeden Fall um sein verletztes Knie Sorgen gemacht. Ich parkte so dicht wie möglich bei Marinos Ford und wurde augenblicklich von Reportern entdeckt. »Dr. Scarpetta, stimmt es, daß das da oben am Hang Ihr Wagen ist?« fragte eine Journalistin. »Soviel ich weiß, ist der Mercedes auf Sie angemeldet. Welche Farbe hat er? Schwarz?« beharrte sie, als ich keine Antwort gab.
    »Können Sie erklären, wie er hierhergekommen ist?« Ein Mann hielt mir ein Mikrophon unter die Nase. »Sind Sie darin gefahren?« fragte ein anderer. »Ist er Ihnen gestohlen worden? Hat das Opfer ihn entwendet? Glauben Sie, es geht um Drogen?«
    Stimmen überlagerten sich, da niemand wartete, bis er dran war, und ich nicht sprechen wollte. Als einige Uniformierte bemerkten, daß ich eingetroffen war, intervenierten sie lautstark. »Zurücktreten.«
    »Sofort, haben Sie nicht gehört.«
    »Lassen Sie die Dame durch.«
    »Kommen Sie schon. Wir haben hier am Tatort zu tun. Sie haben hoffentlich nichts dagegen.«
    Marino hatte sich plötzlich bei mir untergehakt. »Elendes Pack«, sagte er und glotzte sie an. »Paß gut auf, wo du hintrittst. Wir müssen fast durch den ganzen Wald bis zum Tunnel. Was hast du für Schuhe an?«
    »Es wird schon gehen.«
    Ein langer, steiler Pfad führte von der Straße hinab zum Tunnel. Scheinwerfer waren aufgestellt worden, um den Weg zu beleuchten, und sie zogen eine Lichterschnur wie der Mond auf einer gefährlichen Bahn. Am Rand verlor sich der Wald in der Schwärze, wo sich leise der Wind regte.
    »Paß bloß auf«, sagte er und noch einmal. »Es ist schlammig, und überall liegt Dreck herum.«
    »Was für Dreck?« fragte ich.
    Ich schaltete meine Taschenlampe ein und richtete sie direkt auf den schmalen, schlammigen Pfad mit Glassplittern, verrottendem Papier und weggeworfenen Schuhen, der unter dem Dorngestrüpp und den nackten Bäumen in verwaschenem Weiß glitzerte und glänzte.
    »Die Anwohner haben versucht, das hier in eine Müllhalde zu verwandeln«, sagte er.
    »Er wäre mit seinem bösen Knie da gar nicht hinuntergegangen«, sagte ich. »Wie kommen wir am besten dorthin?«
    »An meinem Arm.«
    »Nein. Ich muß mir das allein ansehen.«
    »Also allein wirst du da nicht runtergehen. Wir wissen nicht , ob irgendeiner noch irgendwo dort unten ist.«
    »Da ist Blut.« Ich schwenkte die Taschenlampe auf die Stelle. In etwa zwei Meter Entfernung glitzerten einige große Tropfen auf altem Laub.
    »Davon ist hier oben eine Menge.«
    »Und an der Straße?«
    »Nein. Es sieht so aus, als hätte es wohl genau hier angefangen. Aber wir haben den ganzen Pfad entlang bis zu der Stelle, wo er liegt, Blut entdeckt.«
    Die Polizei hatte gelbes Band von Baum zu Baum geschlungen, um soviel Gelände wie möglich abzusichern, denn im Augenblick wußten wir noch nicht, wie groß dieser Tatort war. Ich konnte die Leiche nicht sehen, bis ich aus dem Wald auf eine Lichtung trat, wo das alte Gleisbett zum Fluß südlich von mir führte und in der gähnenden Öffnung des Tunnels im Westen verschwand. Danny

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