Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trübe Wasser sind kalt

Trübe Wasser sind kalt

Titel: Trübe Wasser sind kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
den Arm um Lucy.
    Draußen in der Sonne war es warm genug, um ohne Jacke herumzulaufen, und ich wünschte mir, ich hätte länger bleiben können. Lucy trödelte nicht bei unserem kurzen Spaziergang, und ich merkte ihr an, daß sie sich Sorgen machte, jemand könne uns zusammen sehen.
    »Es ist genau wie früher«, sagte ich leichthin, um meine Verletztheit zu verbergen. »Wieso?« fragte sie.
    »Deine Ambivalenz, daß uns jemand zusammen sehen könnte.« »Das stimmt nicht. Früher war ich stolz darauf.« »Und jetzt nicht mehr«, sagte ich ironisch. »Vielleicht wünsche ich mir, daß du stolz bist, mit mir gesehen zu werden«, sagte sie. »Statt andersherum. Das habe ich gemeint.«
    »Ich bin schon immer stolz auf dich gewesen, selbst wenn du so ungezogen warst, daß ich dich manchmal in den Keller sperren wollte.«
    »Ich glaube, das nennt man Kindesmißhandlung.«
    »Nein, in deinem Fall würden die Geschworenen auf Tantenmißhandlung erkennen. Das kannst du mir glauben«, sagte ich. »Und ich bin froh, daß du dich mit Janet verstehst. Es freut mich, daß sie wieder aus Aspen zurück ist und ihr beide zusammen seid.«
    Meine Nichte blieb stehen und sah mich in der Sonne blinzelnd an. »Danke für das, was du ihr gesagt hast. Das bedeutet ihr gerade jetzt eine Menge.«
    »Ich habe die Wahrheit gesagt, das ist alles. Vielleicht wird das ihre Familie eines Tages auch tun.«
    Marinos Wagen kam in Sicht. Er saß darin und rauchte wie üblich.
    Lucy ging zu seiner Tür. »He, Pete«, sagte sie, »du mußt deine Karre mal waschen.«
    »Nein, muß ich nicht«, grummelte er, warf augenblicklich die Zigarette weg und stieg aus.
    Er blickte sich um, und wie er so dastand, sich die Hose hochzog und sein Auto inspizierte, weil er sich nicht zu helfen wußte, das war zuviel für uns. Lucy und ich lachten los, und er versuchte, ein Lächeln zu verbergen. In Wahrheit genoß er es insgeheim, wenn wir ihn aufzogen. Wir alberten noch eine Weile herum, und dann verabschiedete sich Lucy, als ein goldener Lexus, neuestes Modell mit getönten Scheiben, vorbeifuhr. Es war derselbe, den wir vorher auf der Straße gesehen hatten, aber der Fahrer war durch die Reflexion des Sonnenlichts nicht zu erkennen.
    »Das geht mir allmählich auf die Nerven.« Marino folgte dem Wagen mit seinem Blick.
    »Vielleicht solltest du das Autokennzeichen überprüfen lassen«, schlug ich das Naheliegende vor.
    »Oh, das habe ich bereits versucht.« Er ließ den Wagen an und setzte zurück. »Der Computer ist tot.«
    Der Computer der Zulassungsstelle war anscheinend sehr häufig außer Betrieb. Wir fuhren wieder zum Reaktorgelände, und dort weigerte sich Marino abermals mitzukommen. Deshalb ließ ich ihn auf dem Parkplatz zurück, und diesmal sagte mir der junge Mann im Kontrollraum, ich könne einfach reingehen.
    »Er ist im Untergeschoß«, sagte er, den Blick auf den Computerbildschirm gerichtet.
    Ich fand Matthews wieder im Raum für die Messung der niedrigen Hintergrundstrahlung, wo er vor einem Monitor saß, der ein Spektrum in Schwarz und Weiß zeigte.
    »Oh, hallo«, sagte er, als er merkte, daß ich neben ihm stand. »Sieht aus, als hätten Sie Glück gehabt«, sagte ich. »Obwohl ich nicht sicher bin, was ich da sehe. Und vielleicht bin ich zu früh dran.«
    »Nein, nein, Sie sind nicht zu früh. Diese senkrechten Linien hier zeigen die Ladungen der signifikanten Gammastrahlen. Eine Linie entspricht einer Ladung. Aber die meisten Linien, die hier zu sehen sind, geben die Hintergrundstrahlung an.« Er zeigte es mir auf dem Monitor. »Wissen Sie, nicht einmal die Bleiziegel blenden alles ab.« Ich setzte mich neben ihn.
    »Ich denke, was ich Ihnen zu zeigen versuche, ist, daß Ihre Probe beim Zerfall keine Gammastrahlen mit hoher Ladung abgibt. Wenn Sie sich hier das Energiespektrum anschauen« -er starrte auf den Bildschirm -»sieht es so aus, als käme diese charakteristische Gammastrahlung von Uran zweifünfunddreißig.« Er tippte auf eine Säule.
    »Okay«, sagte ich. »Und was bedeutet das?«
    »Das ist das gute Zeug.« Er blickte zu mir her. »Das in Atomreaktoren verwendet wird«, sagte ich. »Genau. Das nehmen wir zur Herstellung von Brennelementen.
    Aber wie Sie wahrscheinlich wissen, sind nur 0,3 Prozent Uran zweifünfunddreißig. Der Rest ist erschöpft.«
    »Richtig. Der Rest ist Uran zweiachtunddreißig«, sagte ich. »Und das haben wir hier.«
    »Wenn es keine Gammastrahlen mit hoher Ladung abgibt«, sagte ich, »wie können Sie das

Weitere Kostenlose Bücher