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Trügerische Ruhe

Trügerische Ruhe

Titel: Trügerische Ruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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unmittelbar. Das Team der Unfallstation schob die Liege in einen Behandlungsraum. Eine Sauerstoffmaske wurde auf das Gesicht des Mädchens gedrückt, EKG-Kabel an ihre Brust geheftet. Schon nach wenigen Minuten tropfte eine kräftige Dosis Cortison in ihre Venen.
    Claires Herz klopfte immer noch heftig, als sie schließlich den Raum verließ, um die Patientin Dr. McNally und seinem Team zu überlassen. Sie sah Adam DelRay im Schwesternzimmer stehen. Er kritzelte eifrig in Katies Krankenhausakte. Als sie näher kam, klappte er die Akte hastig zu.
    »Sie hat mir nie erzählt, daß sie eine Allergie hat«, sagte er.
    »Das Mädchen ist geistig zurückgeblieben.«
    »Dann sollte sie ein MedAlert-Armband tragen. Warum hat sie keines?«
    »Sie weigert sich.«
    »Wie kann ich denn so was ahnen?«
    »Adam, Sie hätten mich bloß anzurufen brauchen, als sie eingeliefert wurde. Sie wußten, daß sie meine Patientin war und daß ich ihre Geschichte kenne. Sie hätten nur fragen müssen.«
    »Die Pflegemutter hätte es mir sagen müssen. Ich kann’s nicht glauben, daß diese Frau nicht einmal daran gedacht hat –«
    Das dröhnende Signal der Lautsprecheranlage unterbrach ihn. Sie blickten beide auf, als die Nachricht durchgegeben wurde.
    »Knox Hospital, hier Wagen siebzehn, Wagen siebzehn. Haben Patienten mit Schußverletzung. Geschätzte Ankunftszeit in fünf Minuten. Hören Sie mich?«
    Eine der Schwestern rannte aus dem Behandlungsraum und schnappte das Mikrophon. »Hier Knox Hospital, Unfallstation. Was ist mit dieser Schußverletzung?«
    »Mehrere Opfer unterwegs. Dieses hier ist kritisch – es kommen noch mehr.«
    »Wie viele? Ich wiederhole, wie viele? «
    »Ungewiß. Mindestens drei –«
    Eine andere Stimme schaltete sich ein. »Knox Hospital, hier Wagen neun. Haben Patienten mit Schußverletzung an der Schulter. Hören Sie mich?«
    In Panik griff die Schwester nach dem Telefon und drückte die Null. »Katastrophenalarm! Geben Sie Katastrophenalarm! Das ist keine Übung!«
    Fünf Ärzte. Das war alles, was sie während der hektischen Augenblicke vor der Ankunft des ersten Krankenwagens in dem Gebäude hatten auftreiben können: Claire, DelRay, McNally von der Unfallstation, ein Chirurg und ein Kinderarzt, der jetzt schon in Panik war. Noch kannte niemand irgendwelche Details, weder den Ort der Schießerei noch die Zahl der Opfer. Sie wußten nur, daß etwas Schreckliches passiert war, ohne daß dieses kleine Provinzkrankenhaus darauf vorbereitet gewesen wäre, mit den Folgen fertigzuwerden. Die Unfallstation verwandelte sich in ein Tollhaus aus Lärm und aufgeregter Aktivität. Die Ärzte und Schwestern fielen fast übereinander in ihrem Bemühen, sich auf die Ankunft der Verletzten vorzubereiten. Katie, deren Zustand inzwischen stabil war, wurde flugs herausgefahren und im Flur abgestellt, weil man den Behandlungsraum brauchte. Schränke wurden aufgerissen, grelle Lampen leuchteten auf. Claire half nach Kräften mit, hängte Infusionsbeutel auf, legte Instrumente bereit und packte Verbandmull und Nahtmaterial aus.
    Das allmählich lauter werdende Sirenengeheul des ersten Rettungswagens ließ die ganze Unfallstation für den Bruchteil einer Sekunde innehalten. Dann stürmte alles durch die Doppeltüren, um das erste Opfer in Empfang zu nehmen. Claire, die mitten in der Menge stand, hörte niemanden sprechen; alle konzentrierten sich auf das anschwellende Geräusch der Sirene.
    Das Heulen verstummte abrupt, und der Wagen bog mit blitzendem Rotlicht um die Ecke. Claire drängte nach vorne, als der Rettungswagen rückwärts auf den Eingang zurollte. Die Hecktüren flogen auf, und die Bahre mit dem ersten Opfer wurde herausgefahren. Es war eine Frau; sie war bereits intubiert. Der Klebestreifen, mit dem der Schlauch gesichert war, verdeckte die untere Hälfte ihres Gesichts. Der Verband auf ihrem Bauch war blutgetränkt.
    Sie wurde sofort in den Schockraum gefahren, wo man sie auf den Behandlungstisch legte. Ein wildes Stimmengewirr erhob sich, während man die Kleider der Frau aufschnitt, EKG und Sauerstoff anschloß und eine Blutdruckmanschette anlegte. Über den Herzmonitor jagte ein stark beschleunigter Sinusrhythmus.
    »Systolischer Druck siebzig!« rief eine Schwester.
    »Ich entnehme Blut zur Blutgruppenbestimmung«, sagte Claire. Sie schnappte sich eine Sechzehner-Infusionskanüle vom Tablett und legte eine Aderpresse um den Arm der Patientin. Die Vene schwoll kaum an; die Patientin stand unter Schock. Sie

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