Trügerischer Friede
Taille schmiegte und zu ihrem Haar passte. Dezenter Schmuck aus erlesenem Malachit und Jade unterstrich ihre Schönheit, die, auch wenn sie in die Jahre gekommen war, nicht weniger geworden war. Seit dem Tod ihrer Tochter Zvatochna gab es keine Frau und schon gar keine ihres Alters, die es mit ihrem Äußeren aufnehmen konnte. Aljascha setzte den Fuß auf die erste Stufe und erklomm
die Treppe. Ihre dreißig schwer gerüsteten Begleiter, die
schweigend hinter ihr gewartet hatten, folgten ihr und stimmten durch ihre schweren Stiefel, die Waffen, die besonders dicken Schilde und Harnische ein bedrohliches Konzert aus Scheppern und Stampfen an. Die neue Macht befand sich auf dem Vormarsch.
Sie führte die Abteilung Tzulani durch das Gebäude und bewegte sich mit traumwandlerischer Sicherheit durch die weitläufigen Flure, in denen ihnen außer ein paar Livrierten keine Menschenseele begegnete.
»Es hat sich herumgesprochen, dass Ihr kommt und Euren Anspruch mit Waffengewalt verteidigt, hochwohlgeborene Vasruca«, sagte Lukaschuk, dem man in seiner Rüstung nicht ansah, dass er das höchste Amt in der verborgenen Tzulani-Anhängerschaft bekleidete. Er hatte es sich nicht nehmen lassen, bei dem wichtigen Ereignis dabei zu sein. Und das nicht nur, weil er Aljascha rettungslos verfallen war.
Sie antwortete mit einem leisen, hellen Lachen, in dem ihre ganze Vorfreude auf den Moment lag, in dem sie wieder auf dem Thron der Baronie Kostromo saß. »Ja, ich bin eine streitbare Frau, Lukaschuk.«
Schlagartig verlor sie ihre Heiterkeit. »Das ist der Grund, weshalb Ihr besser dafür sorgt, dass Ihr den Räubern meine aldoreelische Klinge und die Leiche Govans abjagt, bevor sie von den Hohen Schwertern gestellt werden.« Trotz ihrer warnenden Worte gewährte sie ihm, da er der Hohepriester war, eine standesgemäße Anrede und wertete ihn damit vor den Augen der Tzulani auf. »Wie konnte das geschehen?«
»Ein unglücklicher Zufall«, gab Lukaschuk unterwürfig zurück. »Sie kamen uns um eine Stunde zuvor. Wir mussten
improvisieren, nachdem die Kensustrianer unsere Vorbereitungen für einen Überfall auf den Orden in Ammtara durch
Zufall bemerkten.«
»Die diplomatische Delegation bis auf den letzten Mann niederzumetzeln ist nicht unbedingt unauffällig«, sagte sie schneidend.
»Es verschaffte uns die Ablenkung, die wir dringend benötigten.«
»Bis die Räuber unerwartet auftauchten. Jeder einfache
Bauer wird mit so etwas fertig.«
Lukaschuk sagte nichts mehr, um ihre Wut nicht weiter anzustacheln. Streitgespräche mit ihr ergaben keinen Sinn.
Vor dem Eingang in das Zimmer, in dem die kleineren Zeremonien stattfanden, blieb Aljascha stehen und bedeutete zweien ihrer Soldaten, die Tür ruckartig für sie zu öffnen und ihr damit die Bühne für ihren Auftritt zu bereiten.
In bester theatralischer Manier fegte sie in den Raum und schaute sich hochmütig nach den Männern und Frauen um, die dazu bestimmt worden waren, die Geschicke des Staates zu steuern. Doch zu ihrem Erstaunen bückte sie in die Mündungen mehrerer Büchsen, welche auf sie und die Soldaten hinter ihr gerichtet waren.
»Willkommen in Kostromo«, hörte sie eine Männerstimme alles andere als freundlich sagen. »Und damit Ihr Euch nicht zu sehr bei uns einlebt, Aljascha Radka Bardric, werdet Ihr unverrichteter Dinge und auf der Stelle gehen, oder meine Schützen eröffnen das Feuer.« Ein gut gekleideter Mann um die dreißig Jahre trat hinter einem der Bewaffneten hervor und nickte ihr kaum merklich zu; er griff an den Rand seiner Mütze, ohne sie vor ihr zu ziehen.
Aljascha kannte ihn und seine Familie. »Ich grüße dich, Silczin. Es ist schön, wenn man nach langer Abwesenheit von einem bekannten Gesicht zu Hause begrüßt wird«, sagte sie freundlich. »In meinem Haus«, fügte sie lächelnd hinzu.
»Es ist nicht mehr Euer Haus. Ihr seid von allen Ansprüchen enthoben worden«, erwiderte Silczin sogleich in scharfem Ton. »Ich bin der neue Vasruc, und Ihr seid eine ungeliebte Erinnerung an die Tage, in denen die Menschen weniger zu essen und mehr zu arbeiten hatten, als es ihrer Gesundheit zuträglich war.«
»Ihr und Eure Familie hattet Euch nicht daran gestört. Ihr habt stets ein gutes, sorgenfreies Leben geführt.« Sie schaute sich betont langsam in dem Raum um. »Ich verstehe, dass Ihr den Luxus nicht aufgeben wollt, doch es wird Euch nichts anderes übrig bleiben, Vasruc Silczin. Die Gesetze sind auf meiner Seite. Die Herrin des
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