Trügerischer Friede
Erschütterungen hin und her hopsten, als wären die Toten lebendig geworden und führten einen Tanz auf.
Er verringerte die Geschwindigkeit erst, als die Mauern von Bardhasdronda vor ihnen aufragten und er sich in Sicherheit wusste.
Die Tore wurden ihnen geöffnet, und dahinter wartete
ein sehr besorgter Rantsila, dem die Augen beinahe aus den
Höhlen traten, als er die tote Kiurikka sah.
»Was ist geschehen?«, wollte er auf der Stelle wissen und packte Lorin bei den Schultern, doch das Grauen hielt den jungen Mann immer noch gefangen.
»Eine Bestie .. ist geschlüpft«, stammelte er, während es in seinem Kopf drunter und drüber ging. Er sah hinter sich, um einen seiner Begleiter zu sich zu rufen, damit er ihm beim Erklären half. Da erst entdeckte er, dass er allein war. »Wo sind die anderen?«, krächzte er entgeistert und stellte sich auf die Zehenspitzen. Er sah niemanden. Auch die Wärter über dem Stadttor konnten keinen weiteren Hundewagen ausmachen.
»Die Bestie hat sie alle geholt«, raunte Lorin und starrte durch Rantsila hindurch. »Ich habe sie zum Leben erweckt, es ist meine Schuld und .. « Er stockte. »Perdor ... Er muss uns helfen.«
»Beruhige dich, Seskahin.« Rantsila zog ihn mit sich in die Wachstube, wo er ihm einen Tee einschenkte und einen großen Schuss Njoss hineingoss. »Trink einen Schluck. Und dann berichte mir in allen Einzelheiten von dem, was sich ereignet hat«, verlangte er.
»Das tue ich«, nickte Lorin, nippte fahrig an dem Getränk und stand wieder auf. »Doch zuerst muss ich einen Brief fertig schreiben. Je eher er sich auf den Weg nach Ulldart macht, desto besser für uns alle. Und lass die Tore schließen!« Er stürmte verwirrt hinaus.
Rantsila blickte ihm beunruhigt hinterher. Es sah ganz danach aus, als begännen die Schwierigkeiten in Bardhasdronda ein weiteres Mal. Weil er dem jungen Fremdländer dennoch vertraute, schlössen sich die Tore der Stadt kurz darauf.
Kontinent Ulldart, Baronie Kostromo, Hauptstadt Kostromo, Herbst im Jahr 1 Ulldrael des Gerechten (460 n. S.)
Aljascha stand erfüllt von den unterschiedlichsten Gefühlen vor dem Palast, in dem sie einst als Vasruca über die Baronie Kostromo geherrscht hatte.
Nach ihrer Absetzung aus dem Amt der Kabcara durch ihren Gemahl Lodrik war ihr auch dieses Herrschaftsrecht aberkannt worden, was sie aber nicht daran hinderte, ihre alten und sehr wohl legitimen Ansprüche anzumelden.
Die Zeiten hatten sich geändert. Ihr einstiger Gatte und Großcousin hatte auf dem Kontinent nichts mehr zu sagen, und niemand konnte ihr länger verbieten, sich das zurückzuholen, was ihr rechtmäßig gehörte.
Das Gebäude im alten Baustil zeugte vom Reichtum des kleinen Staates, der seine Pracht den Iurdum-Vorkommen verdankte. Die Fassade war ein Traum aus poliertem Marmor und glänzte in den Strahlen der Sonnen; die halbrunden, vergoldeten Kuppeldächer fingen das Licht und warfen es zurück auf die Straßen von Kostromo.
Der Palast sah immer noch so aus, wie sie ihn in Erinnerung gehabt hatte. Und genau dahin, hinter die Mauern der Macht, gedachte sie wieder einzuziehen.
In der dem Eingang zugewandten Seite befanden sich wie einst die Nischen mit den lebensgroßen Abbildern der ehemaligen Herrscher, worunter sie auch ihres entdeckte. Im I Gegensatz zu den anderen Statuen hafteten Schmutz und I
faulende Gemüsereste an ihr.
Wut stieg in Aljascha auf. Die Menschen der Baronie hatten sie vergessen und sie - obwohl sie sehr wohl noch lebte -durch die Errichtung einer Statue ins Reich der Toten abgeschoben. Deutlicher konnte der Pöbel Kostromos nicht zum Ausdruck bringen, dass Aljascha nicht mehr als Herrscherin erwünscht war.
Ihre grünen Augen wurden schmal; sie schaute zu den Fenstern auf, hinter denen der Vasruc lebte und just in diesem Augenblick seine neuen Räte verpflichtete. Ginge es nach ihr, wären sie nur kurze Zeit im Amt.
Für Aljascha gab es keine Wahlmöglichkeit. Sie hatte die Brücken hinter sich abgebrochen, denn die Rückkehr nach Tarpol bedeutete für sie das Gefängnis. Nur mit Hilfe der Tzulani war sie den wachsamen Augen ihrer Wärter überhaupt entkommen, und die Spione, welche Perdor auf sie angesetzt hatte, lagen tot in der Gosse in irgendeiner kleinen Gasse von Ulsar. Bislang wusste niemand, wo sie sich aufhielt.
Sie hatte sich für ihren Auftritt besonders elegant gekleidet, trug ein hellgraues Kleid mit zahlreichen Stickereien, dazu einen roten Gürtel, der sich eng um ihre schmale
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