Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)
einschlafen und nach kurzer Zeit Schlaf erfrischt aufwachen — eine Fähigkeit, die er in Vietnam entwickelt hatte, wie er meinte. Sie beobachtete ihn gern, wenn er schlief, und tat das auch oft nachts, wenn ihre Gedanken unruhig waren.
»Tu etwas«, sagte Eddy eindringlich. »Überzeuge ihn davon, daß wir diese Werbungsleute brauchen. Und übrigens, wenn ich
das nächste Mal anrufe, will ich Tate sprechen, auch nachts, verstanden, Carole?«
»Gestern abend hat Tate schon geschlafen, als du anriefst. Und ich denke, er braucht seinen Schlaf. Er war erschöpft. Und die Werbungsleute will er nicht haben. Er glaubt, daß sie nur eine Art von Plastikimage kreieren, das windig wirkt. Und ich meine das auch.«
»Dich hat keiner gefragt«, sagte Jack.
»Wenn ich eine Meinung bezüglich des Wahlkampfs meines Mannes habe, werde ich sie, verdammt noch mal, auch äußern, und wenn euch das nicht paßt, geht zum Teufel!«
»Willst du die Frau eines Senators sein oder nicht?«
Nach einem kurzen Schweigen, während dessen sich alle etwas beruhigten, meinte Eddy: »Tu etwas, was immer es auch sein muß, damit sich Tates Laune bessert. Das ist selbstzerstörerisch. Und verschiedene der freiwilligen Mitarbeiter haben es auch bemerkt. Sie wollen einen strahlenden Helden, nicht einen Miesepeter. Bring seine Welt wieder in Ordnung, Carole.«
Jack sah sie mit gerunzelter Stirn an. »Du bist verantwortlich für seine miese Stimmung, also tu nicht so, als wüßtest du nicht, wie du das ändern kannst.«
Avery war froh, als der Jet landete, spürte aber noch immer den Ärger darüber, daß man sie für etwas verantwortlich machte, woran sie wirklich nichts ändern konnte, so gern sie auch gewollt hätte. Sie bemühte sich um ein Lächeln für die versammelte Menge, doch auch das verschwand, als sie Van Lovejoy unter den Fotografen entdeckte. Seine ständige Präsenz machte Avery nervös.
So bald wie möglich verschwand sie im Hintergrund, wo sie durch die Kamera nicht so leicht auszumachen war. Von dort aus betrachtete sie die Menge, ständig auf der Suche nach jemandem, der ihr verdächtig erschien. Diesmal waren hauptsächlich Presseleute, Rutledge-Fans und Neugierige versammelt. Ein großer Mann, der hinten in der Menge stand, zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Er trug einen maßgeschneiderten Westernanzug und einen Cowboyhut, und Avery hielt ihn zuerst für einen der Männer aus dem Ölgeschäft, vor denen Tate heute sprechen sollte.
Sie konnte nicht sagen, wo oder wann sie ihn schon einmal gesehen hatte, aber sie war ihm kürzlich begegnet, da war sie sicher. Vielleicht bei dem Grillfest in Houston? Aber noch bevor es ihr wieder eingefallen war, verschwand er in der Menge.
Avery wurde zu einem wartenden Wagen geschoben. Die Frau des Bürgermeisters neben ihr redete wie ein Wasserfall. Aber sie konnte sich nicht darauf konzentrieren, weil ihre Gedanken noch bei dem grauhaarigen Mann waren, der plötzlich verschwunden war, nur einen Augenblick nachdem ihre Blicke sich begegnet waren.
Sobald sich die Menge verlaufen hatte, trat der gutgekleidete Cowboy aus der Telefonzelle. Es war leicht, Tate Rutledge durch den Flughafen zu folgen. Sie waren beide groß, aber während Tate gesehen werden wollte, war der Cowboy stolz auf seine Fähigkeit, sich unter eine Menge zu mischen und sozusagen unsichtbar zu bleiben.
Obwohl er sehr groß war, bewegte er sich mit Grazie und lokker. Schon aufgrund seiner Haltung brachte ihm jeder Respekt entgegen, der ihm begegnete. Auch bei der Autovermietung wurde er sehr zuvorkommend behandelt. Er hatte mit einer Kreditkarte bezahlt, die einen falschen Namen trug, doch sie wurde vom elektronischen Prüfsystem anstandslos angenommen.
Seine Kleider trug er in einer Tasche bei sich, die mitsamt ihrem Inhalt in Notfällen nicht auf ihre Herkunft überprüft werden konnte, falls er sich von ihr trennen mußte, genauso war es mit dem Mietwagen.
Er folgte Rutledges Limousine in sicherem Abstand. Er durfte nicht zu nah herankommen. Er war sicher, daß Carole Rutledge ihn gesehen hatte, während ihr Mann seinen Anhängern die Hand schüttelte. Es war unwahrscheinlich, daß sie ihn auf die Entfernung genau erkannte hatte, aber in seinem Beruf durfte er nichts für selbstverständlich halten.
KAPITEL 28
Ein französisches Doppelbett.
Tate dachte während seines Treffens mit Geschäftsfrauen immer wieder an das große Bett in ihrem Hotelzimmer.
Sie waren nach der Landung in Dallas nur ganz kurz dort
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