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Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)

Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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Intensivstation zu kommen, als sie gerade wieder zu Bewußtsein gekommen war. Aber er hatte nicht verstanden, wovon sie sprach. Sie mußte sich damit entschuldigen, daß ihr Erinnerungsvermögen an jene Zeit etwas verschwommen sei. Aber ihr wurde klar, daß er entweder unschuldig war oder ein guter Lügner.
    Mit Eddy hatte sie dasselbe versucht. Er hatte nur geantwortet: »Ich gehöre nicht zur Familie. Was hätte ich in der Intensivstation tun sollen?«
    Drohen, Tate umzubringen , hätte sie gern gesagt.
    Aber das konnte sie nicht sagen, also hatte sie wieder etwas über ihre Verwirrung damals gemurmelt und es dabei bewenden lassen. Auch auf der Suche nach einem Motiv war sie nicht erfolgreicher gewesen. Selbst bei Meinungsverschiedenheiten schienen alle nur daran interessiert zu sein, daß die Wahl erfolgreich für Tate ausging.
    Auf dem Weiterflug mit dem als Wahlkampfunterstützung von einem Geschäftsmann geliehenen Jet wurde wieder einmal diskutiert, ob nicht ein professioneller Wahlkampfstratege angestellt werden müßte. Schon vor Wochen hatte Eddy vorgeschlagen, Kontakt mit einer Werbefirma aufzunehmen, die darauf spezialisiert war, Kandidaten für öffentliche Ämter zum Erfolg zu verhelfen.
    Aber Tate war stur dagegen gewesen. »Wenn die Wähler mich nicht als den wollen, der ich bin –«
    »Die Wähler, die Wähler«, erwiderte Eddy finster. »Die sind faul. Sie wollen, daß ihnen jemand sagt, wen sie wählen sollen. Man muß es ihnen in ihre schwachen Gehirne eintrichtern, damit sie nicht selbst entscheiden müssen.«
    »Du zeigst wirklich großes Vertrauen in die amerikanische Öffentlichkeit, Eddy.«
    »Nicht ich bin der Idealist, Tate, sondern du.«
    »Ja, Gott sei Dank bin ich nicht so zynisch wie du«, rief er. »Sie hören zu und sind an klaren Gesprächen interessiert. Ich möchte nicht in irgendeinem Werbejargon reden müssen.«
    »Ist gut, ist gut«, meinte Eddy mit einer beschwichtigenden Handbewegung. »Laß uns lieber über die Hispanoamerikaner reden. Wenn du das nächste Mal zu ihnen sprichst, lege nicht wieder soviel Gewicht darauf, daß sie in unsere Gesellschaft integriert werden sollen.«
    »In unsere Gesellschaft?«
    »Aus der Warte des Angloamerikaners gesehen.«
    »Aber die Integration ist gerade deshalb so wichtig, damit die amerikanische Gesellschaft irgendwann nicht mehr unsere, eure oder ihre ist. Hast du meine Reden nie gehört?«
    »Betone, daß sie ihre eigenen Traditionen beibehalten sollen, damit sie nicht ihre Kultur zugunsten der angloamerikanischen aufgeben.«
    »Aber wenn sie hier leben, Eddy, müssen sie auch ein paar der hiesigen Sitten annehmen und vor allem Englisch lernen.«
    Eddy blieb unbeirrbar. »Die Anglos hören es aber nicht gern, daß die Hispanos wie eine Invasion hereinbrechen könnten. Und die Hispanos hören nicht gern, daß sie sich Anglositten angewöhnen
sollen. Also sprich darüber im einzelnen lieber erst nach der Wahl.«
    Avery betrachtete Eddys Hände, während er mit seinen Notizen hantierte. Hatte er Fancy die Kratzer beigebracht, oder war Fancy bei ihm gewesen, nachdem sie wieder einmal ein Cowboy in der Mangel gehabt hatte? Als sie allen die Grüße von Nelson und Zee, Dorothy Rae und Fancy nach ihrem letzten Telefongespräch übermittelt hatte, beobachtete sie Eddy besonders genau. Er warf ihr einen scharfen Blick zu, wandte sich dann aber wieder an Tate. »Bitte laß vor der Landung noch diese Krawatte verschwinden.«
    »Was ist damit?«
    »Sie sieht beschissen aus.«
    Diesmal war Avery sogar Eddys Meinung, aber sie fand seine Ausdrucksweise doch ziemlich rüde.
    »Hier, wir können tauschen«, schlug Jack vor.
    »Nein, deine ist noch schlimmer«, stellte Eddy klar. »Nimm lieber meine.«
    »Ihr könnt euch eure Krawatten sonstwohin stecken«, sagte Tate und ließ sich in seinen Sitz zurückfallen. »Laßt mich in Ruhe.« Er schloß die Augen und distanzierte sich so erfolgreich von allen.
    Avery bewunderte diese Entscheidung, obwohl er sich dabei auch von ihr distanzierte. Seit jener Nacht in Houston, in der sie so nah daran gewesen waren, miteinander zu schlafen, hatte Tate sich sogar noch größere Mühe gegeben, ihr fernzubleiben. Das war nicht immer leicht, denn sie teilten das Badezimmer und manchmal sogar das Bett. Sie waren sehr darauf bedacht, sich nie nackt zu begegnen. Sie berührten sich nie. Wenn sie miteinander sprachen, dann meistens sehr kurzangebunden.
    Schon nach wenigen Minuten schlief Tate. Er konnte fast sofort

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