Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)
hatte sie den Männern abgeschworen. Ihre Mutter hatte ihr zwar versichert, daß irgendwann einer kam, der sie freundlich und mit Respekt behandelte, aber sie hatte keine Lust, herumzusitzen und auf den Prinzen zu warten.
Nein, verdammt noch mal. Sie war jetzt schon drei Tage brav gewesen. Dieser Typ hier war genau der Richtige. Sie hatte Caroles Auftrag ausgeführt und keine Lust, wieder ins Hotel zurückzufahren und nichts Besseres tun zu können, als fernzusehen. Sie würde natürlich zurückfahren, aber erst einmal wollte sie sich amüsieren.
Irish schaffte es nicht, in der Nähe des Hotels einen Parkplatz zu finden. Schließlich entdeckte er ein paar Häuserblocks weiter einen. Er kam ganz schön ins Schwitzen, bis er das Hotel erreichte. Notfalls würde er auch mit Bestechung bis zu den Rutledges durchdringen, aber er mußte mit Avery sprechen. Vielleicht kamen sie zusammen dahinter, was mit Van geschehen war.
Er kämpfte sich ungeduldig und mit steigendem Blutdruck durch eine Gruppe von asiatischen Touristen. Mitten im Chaos sprach ihn jemand an. »Hallo.«
»Oh, hallo«, sagte Irish und erkannte das Gesicht.
»Sie sind doch Irish McCabe, Averys Freund, oder?«
»So ist es.«
»Sie hat Sie gesucht. Kommen Sie bitte mit.«
Sie drängten sich durch die übervolle Hotelhalle. Irish wurde durch eine Seitentür zu einem Serviceaufzug geführt. Die grauen Türen schlossen sich.
»Danke«, sagte Irish und wischte sich den Schweiß mit dem Ärmel von der Stirn. »Hat Avery...« Mitten in der Frage wurde ihm klar, daß er ihren wirklichen Namen genannt hatte. »Sie wissen?«
Ein Lächeln. »Ja, ich weiß.«
Irish sah die Pistole, aber es blieb ihm nicht die Zeit, zu bemerken, daß sie wirklich auf ihn gerichtet war. Weniger als einen Herzschlag später griff er sich an die Brust und fiel auf den Boden des Aufzugs wie ein umgestürzter Baum.
Der Aufzug blieb auf der untersten Ebene des Hotels stehen. Der einsame Passagier hob die Pistole und zielte auf die Tür, aber er brauchte sie nicht abzufeuern. Es wartete niemand auf den Aufzug.
Irishs Leiche wurde einen kurzen Flur entlanggezogen, durch eine doppelte Schwingtür bis zu einer kleinen Nische, in der Automaten für das Hotelpersonal standen. Die vier Leuchtröhren darüber waren leicht mit dem Dämpfer der Pistole zu zerschlagen.
Bis man den Toten hier entdeckte, war schon ein anderer, weit wichtigerer, Mord geschehen.
Im Salon liefen drei Fernsehgeräte gleichzeitig. Es war ein wirkliches Kopf-an-Kopfrennen und lange kein eindeutiger Trend abzusehen. Als es schließlich hieß, Rutledge liege eine Spur vorn, ertönte ein Aufschrei im Raum. Avery zuckte zusammen. Ihre Nerven lagen bloß, und es brauchte nicht mehr viel, bis sie zusammenbrach.
Mandy war durch die ganze Aufregung so unruhig geworden, daß sie einen der Babysitter des Hotels engagiert hatten, der sie in einem anderen Zimmer beschäftigte.
Dadurch hatte Avery aber wieder ausreichend Gelegenheit, sich um Tate Sorgen zu machen und sich zu fragen, wo Irish und Van waren. Sie hätte sich am liebsten selbst auf den Weg gemacht, um nach ihnen zu suchen, aber sie wollte Tate nicht allein lassen. Je weiter der Abend voranschritt, desto sicherer wurden zwei Dinge: erstens, daß Tate die Wahl gewann, und zweitens, daß ihren Freunden irgend etwas Schreckliches zugestoßen sein mußte.
Wenn nun der Grauhaarige tatsächlich hinter ihr her gewesen war? Wenn er ihr Interesse an ihm bemerkt und Van und Irish irgendwo abgefangen hatte? Ihr war schlecht vor Angst, wenn sie daran dachte, daß ein Mörder hier unter ein Dach mit Tate und Mandy sein könnte.
Und wo war Fancy? Sie war schon seit Stunden weg. Ob ihr etwas passiert war? Warum hatte sie nicht wenigstens angerufen, um ihre Verspätung zu erklären?
»Tate, eine der Fernsehstationen hat gerade dich als den Gewinner bezeichnet!« verkündete Eddy, während er zur Tür hereinstürmte. »Bereit, nach unten zu gehen?«
Avery wartete mit angehaltenem Atem auf Tates Antwort. »Nein«, sagte er. »Nicht, solange es noch den leisesten Zweifel gibt und Dekker nicht anruft, um sich geschlagen zu geben.«
»Willst du dich nicht wenigstens umziehen? Oder möchtest du mir in diesem Punkt bis zum Schluß Widerstand leisten?«
»Bis zum bitteren Ende«, erwiderte Tate lachend.
»Wenn du gewinnst, ist mir das völlig egal.«
Nelson ging zu Tate und schüttelte ihm die Hand. »Du hast es geschafft. Du hast alles erreicht, was ich von dir erwartet
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