Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)
Scheißanweisungen sind mir egal. Und wenn du mich jetzt nicht sofort mit ihrer Suite verbindest, komme ich persönlich rüber und reiß dir deinen Kopf ab!«
Sie hängte ein.
Irish stapfte rauchend in seinem Büro auf und ab. Avery mußte verzweifelt sein. Dieser verantwortungslose Bastard Van war nicht bei ihr, und seine Anrufe kamen nicht bis zu ihr durch, also wußte sie nicht, daß er die ganze Zeit versuchte, sie zu erreichen.
Er zog seine Jacke an und stürmte durch den Nachrichtenraum. »Ich gehe weg. Wenn jemand anruft für mich, soll er mir eine Nachricht hinterlassen.«
»Wo gehen Sie...« Der Angestellte sprach nur noch mit einer Wolke Zigarettenrauch.
Avery versuchte kurz darauf, noch einmal bei Irish anzurufen, bekam aber nur die Information, daß er fortgegangen sei.
Sie konnte es nicht glauben. »Fortgegangen? An einem Wahltag? Das würde er nie tun.«
»Hören Sie, hier ist die Hölle los, besonders seit Irish weg ist. Also, wollen Sie eine Nachricht hinterlassen, oder was?«
Avery hinterließ keine Nachricht. Sie fühlte sich alleingelassen. Sie legte auf und ging in den Salon zurück. Ihre Augen suchten automatisch zuerst nach Tate. Er unterhielt sich mit Nelson. Zee tat so, als höre sie dem Gespräch zu, aber sie sah Tate mit abwesendem Blick an wie so oft. Jack und Eddy kümmerten sich um die letzten Vorbereitungen im Ballsaal und berichteten immer wieder von den letzten Umfragen vor Schließung der Wahllokale. Es sah bisher so aus, daß Tate mit Dekker Schritt hielt.
Dorothy Rae hatte sich mit Kopfschmerzen in ihr Zimmer zurückgezogen. Fancy spielte auf dem Boden mit Mandy.
Plötzlich hatte Avery eine Idee. Sie sagte zu Fancy: »Ich ... ich möchte gern, daß du etwas für mich erledigst.«
»Großmutter hat gesagt, ich soll mit der Kleinen spielen.«
»Das werde ich tun. Bitte, es ist sehr wichtig.«
Murrend folgte Fancy ihr ins Schlafzimmer. Seit Eddys Ohrfeige war sie viel netter geworden, auch wenn manchmal noch ein Rest ihres Trotzes zum Vorschein kam.
Sobald die Tür hinter ihnen geschlossen war, drückte Avery ihr einen kleinen Schlüssel in die Hand. »Das ist der Schlüssel von einem Postfach. Ich möchte, daß du hingehst und nachsiehst, ob etwas drin ist. Wenn ja, mußt du es mitbringen und mir persönlich geben – nur mir, keinem anderen, ja?«
»Was, zum Teufel, hat das zu bedeuten?«
»Das kann ich dir im Moment nicht erklären. Aber es ist wirklich wichtig.«
»Warum fragst du mich dann? Ich bin doch sonst immer an letzter Stelle.«
»Ich dachte, wir sind Freundinnen«, sagte Avery, um sie zu überreden. »Tate und ich haben dir auch kürzlich aus der Patsche geholfen. Du bist uns einen Gefallen schuldig.«
Fancy überlegte kurz und entschloß sich dann, Avery die Bitte zu erfüllen.
»Vielen Dank.« Avery drückte sie fest an sich. »Bitte geh einfach ganz unauffällig, ich werde ihnen dann schon etwas erzählen, wo du bist.«
»Warum ist alles so geheimnisvoll? Was ist das für ein Spiel? Du schläfst doch nicht mit einem Postboten, oder?«
»Vertrau mir. Die Sache ist sehr wichtig für Tate und uns alle. Und komm bitte schnell zurück.«
Fancy nahm ihr Täschchen aus dem Salon mit und ging zur Tür. »Ich komm’ gleich wieder«, sagte sie kurz über ihre Schulter. Niemand achtete auf sie.
KAPITEL 48
Fancy setzte sich auf den Barhocker und legte das rechteckige Päckchen aus dem Postfach auf den Tresen. Dann warf sie dem Barkeeper ein engelhaftes Lächeln zu. »Einen Gin Tonic, bitte.«
Seine freundlichen blauen Augen wirkten mißtrauisch. »Wie alt sind Sie?«
»Alt genug.«
»Machen Sie zwei daraus.« Ein Mann setzte sich auf den Hokker neben Fancy. »Ich gebe der Dame einen aus.«
Der Barkeeper zuckte mit den Schultern. »Von mir aus.«
Fancy betrachtete ihren Retter. Er war der Typ junger Aufsteiger, Versicherung oder Computer, schätzte sie. Vermutlich Ende Zwanzig und verheiratet. Auf der Suche nach ein bißchen Abwechslung. Die Bar hier war zur Zeit in Mode.
Die beiden musterten sich prüfend. Das Glitzern in seinen Augen, als er ihren Körper betrachtete, deutete darauf hin, daß er sie für einen guten Fang hielt.
»Danke für den Drink«, sagte sie.
»Bitte. Sie sind doch alt genug zum Trinken, oder?«
»Klar. Zum Trinken schon. Aber kaufen hätte ich den Drink nicht dürfen.«
Sie lachten. Das Paarungsritual hatte begonnen. Vermutlich würden sie in zwei Stunden irgendwo miteinander im Bett liegen.
Seit der Sache mit Eddy
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