Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)
und schob ihn dem armen Kerl hin. »Komm bloß nicht ohne ihn wieder.«
Avery verließ mit Tate und Mandy das Hotel. Ihre Hände waren feucht, und sie wünschte, ihre Gesichtsmuskeln würden sich nicht verkrampfen, wenn sie längere Zeit zu lächeln versuchte. Tate strahlte so selbstbewußt wie möglich in die zahlreichen Kameras, die sie umgaben, sagte etwas über das gute Wahlwetter und wurde mit zahlreichen Fragen zu ernsteren Themen überschüttet, aber Eddy drängte sie zum Auto. Avery hatte gehofft, sie könnte unterwegs mit Tate allein sein, aber Eddy fuhr mit ihnen nach Kerrville.
Als der Wagen losfuhr, versuchte sie durch das Rückfenster Van zu sehen, entdeckte aber nur zwei andere Männer von KTEX. Wo ist er? fragte sie sich.
Er war auch nicht bei den Presseleuten, die sie im Wahllokal erwarteten. Ihre Sorgen wuchsen, so daß Tate sich einmal sogar zu ihr hinunterbeugte und flüsterte: »Lächle doch, mein Gott. Du siehst aus, als hätte ich schon verloren.«
»Ich habe Angst, daß du ermordet wirst, Tate, nicht um den Ausgang der Wahl.«
Die Rückfahrt schien ewig zu dauern, und als sie vor dem Hotel ausstiegen, suchte sie wieder die Menschenmenge nach Van ab, entdeckte aber nur den Grauhaarigen, der auf der anderen Straßenseite stand. Van war nicht zu sehen.
Irish hatte es ihr doch versprochen.
Irgend etwas stimmte nicht.
In der Suite angekommen, versuchte sie sofort ihn anzurufen. Sie wußte, was an einem solchen Tag im Nachrichtenzentrum alles los war. Während sie noch darauf wartete, daß jemand Irish ans Telefon holte, klackte es in der Leitung. »Hallo?«
»Ja, wer ist – Eddy, bist du das?«
»Ja.«
»Hier ist A—, äh, Carole.«
»Bitte, faß dich kurz, ja? Ich will die Leitungen möglichst freihalten.« Er mußte wohl im Salon abgenommen haben.
Er hängte ein. Am anderen Ende der Leitung herrschte Stille. Die Leute bei KTEX hatten wohl besseres zu tun, als am wildesten Tag des Jahres nach dem Boß zu suchen. Ärgerlich ging sie zur Familie in den Salon zurück.
Obwohl sie an der Unterhaltung teilnahm, wie man von ihr erwartete, dachte sie immer wieder daran, wo Van wohl abgeblieben war, und hoffte, daß er vielleicht nur seine Kamera aufbaute, um Tates Siegesfeier am späteren Abend aufnehmen zu können. Es gab bestimmt eine Erklärung für die Änderung im Plan.
Tate, wie angekündigt in legerer Kleidung, wirkte völlig entspannt, als er Zee seine Wünsche fürs Mittagessen darlegte.
Avery setzte sich auf die Sofalehne neben ihn. Abwesend legte er seinen Arm über ihren Schenkel und streichelte versunken ihr Knie. Zee verschwand, um die Bestellung aufzugeben, und er sah zu ihr auf und lächelte.
Und dann fiel es ihm wieder ein. Sie konnte beobachten, wie die Erinnerung das warme Leuchten in seinen Augen verzehrte, bis sie wieder kühl blitzten. Er hob langsam den Arm.
»Ich wollte dich noch etwas fragen«, sagte er. »Hast du eigentlich je an Verhütung gedacht?«
»Nein, und du auch nicht.«
»Klasse.«
Sie ließ sich von seiner vorwurfsvollen Haltung nicht so sehr einschüchtern, daß sie sich von ihm entfernt hätte. Für den Rest des Tages wollte sie sich nicht weiter von ihm entfernen, als sie es im Augenblick war.
»Irish, Apparat zwei für dich.«
»Ich bin doch schon am Telefon, verdammt«, brüllte er über das Chaos im Raum hinweg. »Sie sollen warten. Also«, sprach er wieder in die Muschel, »hast du versucht zu klopfen?«
»Bis meine Knöchel wund waren, Mr. McCabe. Er ist nicht zu Hause. Durch die Fenster konnte ich auch nichts sehen, an der Tür habe ich nicht einen Laut gehört. Und sein Auto steht auch nicht auf dem Parkplatz.«
»Verflucht«, murmelte Irish. Er hatte gehofft, daß Van zu Hause seinen Rausch ausschlief, aber offensichtlich war er eben wirklich nicht da. Er beendete das Gespräch und schaltete sich in die andere Leitung ein. Dort war nichts zu hören, als er sich meldete. »He, war nicht jemand an Apparat zwei?«
»Doch. Sie wird wohl aufgelegt haben.«
»Eine Frau? Hat sie ihren Namen gesagt?«
»Nein. Aber sie klang irgendwie gehetzt.«
Irishs Blutdruck stieg dramatisch. »Verfluchter Mist!«
Er stapfte in sein Büro, zündete sich eine Zigarette an. Er konnte nicht wissen, ob es wirklich Avery gewesen war, aber er hatte so ein ungutes Gefühl im Magen.
Er nahm einen Schluck Medizin und versuchte, noch mal im Hotel anzurufen. Die Telefonistin begann ihre übliche Litanei.
»Hör zu, du blöde Kuh, deine
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