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Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)

Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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unternehmen, sonst würde sie durchdrehen. Was hatte nur Carole Rutledge den ganzen Tag getan?
    Avery lebte jetzt schon seit zwei Wochen in dem großen Ranchhaus und hatte immer noch nicht eine einzige konstruktive Tätigkeit gefunden, mit der sich Carole beschäftigt hätte.
    Avery hatte ein paar Tage gebraucht, um ihr Schlafzimmer und die anderen Zimmern des Hauses, zu denen sie Zugang hatte, genau kennenzulernen.
    Langsam fing sie auch an, sich draußen zurechtzufinden. Auf ihre Entdeckungsreisen nahm sie Mandy mit, so daß sie den Eindruck machte, als würde sie nur spazierengehen.
    Carole hatte einen amerikanischen Sportwagen gefahren — zu
Averys Schrecken mit einer normalen Gangschaltung. Und an Gangschaltungen war sie nicht gewöhnt. Die ersten paar Male, die sie losgefahren war, hatte sie beinahe das Getriebe ruiniert.
    Als sie sich ein bißchen besser auskannte, erfand sie Ausreden, um aus dem Haus zu kommen. Die Langeweile machte Avery verrückt.
    Den Terminkalender, den sie in Caroles Nachttisch gefunden hatte, hütete sie wie ein Goldgräber sein erstes Goldnugget. Aber die Seiten enthielten denkbar wenig, außer Terminen beim Friseur und bei der Maniküre.
    Avery ließ sich nie einen Termin geben. Es wäre wirklich Luxus, sich mehrere Stunden in der Woche in irgendeinem Schönheitssalon pflegen zu lassen — dafür hatte Avery Daniels nie Zeit gehabt. Und sie durfte nicht riskieren, daß der Friseur ihr Haar und die Maniküre ihre Nägel sahen. Vielleicht würden sie etwas entdecken, was die anderen nicht sahen.
    Der Terminkalender hatte nichts darüber verraten, womit Carole ihre Tage verbrachte. Offensichtlich war sie in keinem Club. Sie hatte keine oder nur wenige Freunde, weil sie keinen Besuch bekam. Das war für Avery sowohl überraschend als auch erleichternd, denn sie hatte befürchtet, daß eine Truppe von Bekannten über sie hereinbrechen würde mit der Erwartung, ihre Beziehungen dort fortzusetzen, wo sie vor dem Unfall aufgehört hatten.
    Carole hatte keinen Beruf ausgeübt und keine Hobbies gehabt. Avery sagte sich, daß sie darüber eigentlich froh sein sollte. Was wäre geschehen, wenn Carole hätte bildhauern, Harfe spielen oder malen können? Es war schon schwer genug gewesen, sich das Essen und Schreiben mit der rechten Hand anzugewöhnen.
    Mona kümmerte sich um das Haus und kochte. Ein Gärtner um den Garten. Ein ehemaliger Cowboy, der zu alt war, um Kühe zu hüten oder zu treiben, kümmerte sich um den Pferdestall.
    Carole Rutledge war eine Müßiggängerin gewesen. Avery Daniels war anders.
    Die Tür zu Tates Büro öffnete sich. Er kam in der Gesellschaft
eines rundbäuchigen Mannes in mittleren Jahren heraus. Sie lachten.
    Averys Herz schlug schneller, als sie Tate sah und das echte warme Lächeln auf seinem Gesicht. Seine Augen waren von kleinen Lachfältchen umgeben, die seinen Sinn für Humor bewiesen, den er niemals mit ihr teilte.
    Avery war froh, daß Tate sich in legere Jeans, Hemd und Stiefel kleidete, auch wenn er damit immer wieder Eddys Mißfallen weckte. Er sah sensationell aus. Sein Kopf war in jenem typischen Winkel geneigt, wenn er zuhörte, den sie an ihm so liebte. Eine Haarlocke fiel ihm in die Stirn. Sein Mund war zu einem breiten Grinsen verzogen, das seine starken, weißen Zähne zeigte.
    Er hatte sie noch nicht gesehen. In unbeobachteten Augenblicken wie jetzt genoß Avery es, ihn ansehen zu können, bevor seine Vorwurfshaltung gegenüber seiner Frau sein schönes Lächeln verzerrte.
    »Na, das ist ja eine Überraschung!«
    Die donnernde Baßstimme riß Avery aus ihrer verliebten Träumerei. Tates Besucher kam auf seinen kurzen, kräftigen Beinen in einer Weise auf sie zu, daß sie sie an Irish erinnerten. Er riß sie in seine erdrückende Umarmung und klopfte ihr voller Zuneigung auf den Rücken. »Verdammt noch mal, du siehst besser aus denn je. Ich hab’s nicht für möglich gehalten.«
    »Hallo, Mr. Bridges.«
    »›Mr. Bridges