Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)

Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
Vom Netzwerk:
Bänder, die er vor ein paar Tagen auf der Rocking R Ranch aufgenommen hatte. Er hatte das Material natürlich bei MB-Produktions abgeliefert, sich aber vorher Kopien gemacht. Schließlich konnte man nie wissen, wann sich die Dinge, die er aufgezeichnet hatte, wieder als nützlich erweisen würden.
    Jetzt würde MBP die Manuskripte schreiben, Stimmen dazukopieren,
passende Musik aussuchen und am Schluß eine Sammlung von glatten, formvollendeten Werbespots für Rutledge haben. Lovejoys Kameraarbeit würde bei den Sendungen nur noch steril und gestellt aussehen, aber das war ihm egal. Er hatte sein Geld bekommen. Was ihn interessierte, war das Rohmaterial.
    Tate Rutledge hatte Charisma, mit oder ohne Kamera. So gutaussehend und wohlhabend, wie er war, hätte man ihn als wandelnde Erfolgsstory bezeichnen können — die Art von Mensch, die Van sonst aus Prinzip verachtete. Aber wenn Van wählen ging, würde er diesem Mann seine Stimme schon deshalb geben, weil er direkt aus der Hüfte zu schießen schien. Er machte keinem was vor, auch wenn er oft Dinge sagte, die niemand gern hörte.
    Aber Van wurde das Gefühl nicht los, daß mit der kleinen Tochter etwas nicht in Ordnung war. Sie war wirklich süß, obwohl nach Vans Meinung ein Kind wie jedes andere aussah. Normalerweise brauchte er keine Kinder auf Video aufzunehmen, aber wenn es schon einmal so war, hatte er die Erfahrung gemacht, daß man ihnen drohen oder sie bestechen mußte, damit sie sich ruhig verhielten.
    Bei der Kleinen von Rutledge war das nicht so gewesen. Sie war ruhig und erschreckend gehorsam. Sie tat eigentlich überhaupt nichts, außer wenn man sie dazu aufforderte, und dann bewegte sie sich wie eine Puppe, die jemand aufgezogen hatte. Carole Rutledge konnte sie noch zu den meisten Reaktionen bewegen.
    Diese Frau faszinierte Van am meisten. Er hatte sich die Bänder immer und immer wieder angesehen — die, die er auf der Ranch gemacht hatte, und die von dem Tag, als sie die Klinik verließ. Die Frau wußte, wie man sich vor einer Kamera benimmt. Ihre Körpersprache wirkte nicht verklemmt oder mechanisch wie bei den meisten Amateuren.
    Sie war ein Profi.
    Ihre Ähnlichkeit mit dem anderen Profi, jener anderen Frau, die er gekannt und mit der er gearbeitet hatte, war wirklich gespenstisch.
    Stundenlang saß er jetzt schon vor der Konsole und studierte
Carole Rutledge. Wenn sie einmal eine ungeschickte Bewegung machte, dann hatte er das Gefühl, als wäre es absichtlich geschehen, um zu verschleiern, wie gut sie eigentlich wirklich war.
    Er nahm das Band heraus und legte ein anderes ein, das er extra so aufgenommen hatte, damit es auch in Zeitlupe wiedergegeben werden konnte. Die Szene war ihm vertraut. Sie zeigte die Familie bei einem Spaziergang über eine grüne Wiese, Rutledge mit seiner Tochter auf dem Arm, seine Frau neben ihm. Van hatte die Aufnahme so geplant, daß die Sonne hinter einem Hügel in der Nähe unterging und die Silhouette der Familie betonte. Die Wirkung war wirklich toll, dachte er jetzt, als er sich die Szene zum hundertsten Mal anschaute.
    Und dann sah er es! Mrs. Rutledge drehte den Kopf und sah zu ihrem Mann auf. Sie berührte seinen Arm. Sein Lächeln erstarrte. Er bewegte seinen Arm — ganz leicht, aber gerade genug, um ihre Berührung abzuschütteln. Wenn er das Band nicht in Zeitlupe abgespielt hätte, wäre Van die winzige Geste vielleicht entgangen.
    Er zweifelte nicht daran, daß die kurze Bewegung bei der Bearbeitung geschnitten wurde und die Rutledges dann erscheinen würden wie das Traumpaar. Aber irgend etwas stimmte mit der Ehe nicht, genauso wie mit der Kleinen was nicht stimmte. Da war was faul im Staate Dänemark.
    Van war von Natur aus ein Zyniker. Er stellte sich vor, daß das in allen Familien vorkam, und kümmerte sich nicht weiter darum.
    Und doch faszinierte ihn die Frau. Er hätte schwören können, daß sie ihn in der vorigen Woche erkannte hatte, als er zum ersten Mal auf der Ranch gewesen war. Er achtete ständig auf Gesichter und Reaktionen, und diese ganz kurzfristige Erweiterung ihrer Pupillen und das schnelle Einatmen konnte nichts anderes bedeuten. Auch wenn die Gesichtszüge nicht gleich waren und die Frisur anders, erschien ihm die Ähnlichkeit zwischen Carole Rutledge und Avery Daniels doch außergewöhnlich. Carole bewegte sich sehr zielgerichtet, und die unbewußten Bewegungen waren denen von Avery unheimlich ähnlich.
    Er ließ das Band durchlaufen. Dann schloß der die Augen und drückte

Weitere Kostenlose Bücher