Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)
schläfst.«
»Ich habe ihr versprochen, bei ihr zu bleiben.« Sie streichelte Mandys gerötete Wange. »Was können wir tun, Tate?«
Er stützte die Ellenbogen auf die Knie und drückte seine Daumen in die Augenhöhlen. Eine lose Haarlocke fiel ihm in die Stirn. Mit den Bartstoppeln wirkte die senkrechte Vertiefung in seinem Kinn noch auffälliger. Er seufzte, so daß sich seine bloße Brust unter dem offenen Bademantel dehnte. »Ich weiß es nicht.«
»Glaubst du, daß die Psychologin ihr helfen kann?«
Er hob den Kopf. »Wenn du eine Meinung dazu hast, sei so nett und sag sie mir«, drängte sie Tate. »Wir reden hier über unser Kind. Ich werde nachher nicht versuchen herauszufinden, wer von uns die beste Idee dazu hatte.«
»Ich kenne einen Arzt in Houston«, begann sie. Eine seiner Augenbrauen hob sich fragend. »Er... ich habe ihn einmal bei einer Talkshow gesehen und war sehr beeindruckt davon, was er gesagt hat und wie er sich verhalten hat. Er war überhaupt nicht großspurig. Da die Psychologin im Augenblick keine Fortschritte macht, sollten wir Mandy vielleicht zu ihm bringen.«
»Wir haben nichts zu verlieren. Laß dir einen Termin geben.«
»Ja.« Ihre Blicke trafen sich.
Avery schlief ein.
KAPITEL 21
Als Avery aufwachte, war kaum Licht im Zimmer, obwohl das Nachtlicht noch brannte. Sie lächelte, als ihr klar wurde, daß Mandys kleine Hand auf ihrer Wange lag. Ihre Muskeln waren verkrampft, weil sie so lange in einer Stellung gelegen hatte. Sonst wäre sie vielleicht noch einmal eingeschlafen. Sie mußte sich einfach strecken, also schob sie Mandys Hand von ihrem Gesicht und legte sie aufs Kopfkissen. Ganz vorsichtig, um das Kind nicht zu wecken, stand sie auf.
Tate schlief in dem Schaukelstuhl. Sein Kopf war so weit auf eine Seite gesunken, daß er schon fast auf seiner Schulter lag. Die Stellung wirkte sehr unbequem, aber sein Bauch hob und senkte sich rhythmisch, und Avery hörte im stillen Zimmer seinen ruhigen Atem.
Sein Bademantel war offen und sein Körper und seine Schenkel lagen bloß. Sein rechtes Bein war im Knie gebeugt, das linke ausgestreckt. Seine Waden und Füße waren schön geformt. Seine Hände hatten deutlich sichtbare Adern und waren wenig behaart. Die eine Hand hing lose von der Stuhllehne, die andere lag über seinem Bauch.
Der Schlaf hatte die Sorgenfalten auf seiner Stirn gelöscht. Seine Wimpern lagen als dunkle Bögen auf seinen Wangen. Entspannt wirkte sein Mund sinnlich, als könne er einer Frau großen Genuß verschaffen. Avery stellte sich vor, daß er ein hingebungsvoller Liebhaber war — leidenschaftlich und... na ja, eben
so, wie er alles anging. Die Gefühle weiteten Averys Brust, bis sie schmerzte. Am liebsten hätte sie geweint.
Sie liebte ihn.
So sehr sie auch ihre beruflichen Schwächen wiedergutmachen wollte, wurde ihr jetzt endgültig klar, daß sie die Rolle der Ehefrau auch deshalb angenommen hatte, weil sie sich in ihn verliebt hatte, noch bevor sie seinen Namen hatte sagen können. Sie hatte ihn schon geliebt, als sie ihn nur undeutlich erkannte und sie sich beim Kampf um ihr Leben nur auf den Klang seiner Stimme verließ.
Sie spielte seine Frau, weil sie seine Frau sein wollte. Sie wollte ihn beschützen. Sie wollte die Wunden heilen, die eine andere selbstsüchtige, kalte Frau ihm beigebracht hatte. Sie wollte mit ihm schlafen.
Wenn er versuchen würde, seine ehelichen Rechte geltend zu machen, würde sie seiner Aufforderung mit Freuden nachkommen. Und das wäre ihre größte Lüge — eine Lüge, die er ihr auch nicht würde verzeihen können, wenn ihre wahre Identität aufgedeckt wurde. Er würde sie noch mehr verachten als Carole zuvor, weil er denken mußte, daß sie ihn hereingelegt hatte. Er würde ihr niemals glauben, daß ihre Liebe ernst gemeint war. Aber sie war es.
Er bewegte sich. Als er den Kopf hob, ächzte er. Seine Augenlider bebten, öffneten sich plötzlich, dann konzentrierte sich sein Blick auf sie. Sie stand so nah, daß er sie hätte berühren können.
»Wie spät ist es?« fragte er mit rauher Stimme.
»Ich weiß es nicht. Noch früh. Tut dir der Nacken weh?« Sie strich mit der Hand durch sein wirres Haar und legte sie auf seinen Nacken.
»Etwas.«
Sie massierte seine Schultern, bis die Verspannungen verschwanden.
»Hmmm.«
Einen Augenblick später zog er seinen Bademantel zusammen und setzte sich aufrechter hin. Sie fragte sich, ob ihre sanfte Massage wohl eine Erektion bei ihm bewirkt hatte, die sie nicht
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