Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)
hatten.«
Nur in seinen Boxershorts, schlug Nelson jetzt die Bettdecke ordentlich zurück und kroch ins Bett. Er faltete die Hände hinter dem Kopf und sah zur Decke. »Mir sind in letzter Zeit eine Menge Dinge aufgefallen, die Carole gar nicht ähnlich sehen.«
»Gott sei Dank«, sagte Zee, »ich dachte schon, ich werde allmählich verrückt. Ich bin wirklich froh, daß es außer mir noch jemandem aufgefallen ist.« Sie schaltete das Licht aus und glitt neben ihren Mann ins Bett. »Sie ist nicht mehr so oberflächlich wie früher, oder?«
»Die Begegnung mit dem Tod hat sie etwas ernüchtert.«
»Aber da ist auch ihr Verhalten Mandy gegenüber. Was sie betrifft,
ist Carole völlig anders geworden. Hast du je erlebt, daß sich Carole solche Sorgen um Mandy gemacht hat wie gestern abend nach dem Alptraum? Ich erinnere mich an einen Abend, als Mandy hohes Fieber hatte. Ich war außer mir und dachte daran, sie ins Krankenhaus zu bringen. Carole war ganz unbekümmert. Sie sagte, alle Kinder hätten gelegentlich hohes Fieber. Aber gestern abend war sie genauso erschüttert wie Mandy.«
Nelson rückte sich unbehaglich zurecht. Zee wußte, warum. Er konnte es nicht leiden, wenn jemand Spekulationen anstellte. Die Dinge waren entweder schwarz oder weiß für ihn. Er glaubte nur an das Absolute. Mit der Ausnahme von Gott, der für ihn genauso wirklich war wie Himmel und Hölle, glaubte er an nichts, was man nicht fassen konnte. Er war skeptisch gegenüber jeder Psychoanalyse und der Psychiatrie. Seiner Meinung nach konnte jeder vernünftige Mensch seine Probleme selbst lösen, ohne dabei die Hilfe von einem anderen zu brauchen.
»Carole wird langsam erwachsen, das ist alles«, sagte er. »Das, was sie erlebt hat, hat sie reifer gemacht. Sie betrachtet die Dinge jetzt in einem ganz neuen Licht. Endlich weiß sie zu schätzen, was sie hat — Tate, Mandy, diese Familie. Wurde auch Zeit.« Nelson drehte sich seiner Frau zu und legte seinen Arm an ihre Taille.
Zee meinte: »Hoffentlich hat ihre liebevolle Einstellung gegenüber Tate und Mandy Bestand. Oberflächlich betrachtet sieht es so aus, als würde sie sie gern haben.«
»Das ist doch gut, oder?«
»Wenn es ernst gemeint ist. Mandy ist so labil, daß ich fürchte, sie könnte es nicht verkraften, wenn Carole wieder so ungeduldig und reizbar würde wie früher. Und Tate«, Zee seufzte. »Ich möchte, daß er glücklich wird, besonders jetzt an diesem Wendepunkt seines Lebens, ob er die Wahl nun gewinnt oder nicht. Er verdient es, glücklich zu sein.«
»Du hast immer für das Glück deiner Söhne gesorgt, Zee.«
»Aber sie sind beide nicht glücklich verheiratet, Nelson«, stellte sie nachdenklich fest. »Ich wünschte, sie wären es.«
Sein Finger berührte ihre Lippen, um ein Lächeln zu spüren, das es nicht gab. »Du hast dich nicht geändert. Du bist immer noch so romantisch.«
Er zog ihren zarten Körper an sich und küßte sie. Seine großen Hände zogen ihr das Nachthemd aus und streichelten besitzergreifend ihr nacktes Fleisch. Sie schliefen im Dunkeln miteinander.
KAPITEL 22
Avery machte sich tagelang Gedanken darüber, wie sie Kontakt mit Irish aufnehmen konnte. Als sie erst einmal endgültig zu der Überzeugung gekommen war, daß sie doch einen Ratgeber brauchte, überlegte sie fieberhaft, wie sie ihm klarmachen konnte, daß sie nicht beim Absturz des Fluges 398 im Feuer umgekommen war.
Aber wie immer sie es auch anfangen würde, er würde einen grausamen Schock erleiden. Also entschloß sie sich, eine Notiz zu dem Postfach zu schicken, an das sie vor ein paar Wochen auch den Schmuck geschickt hatte. Vielleicht hatte er ja schon den Verdacht, daß mysteriöse Umstände ihren Tod begleiteten.
Stundenlang dachte sie darüber nach, wie sie einen solchen Brief formulieren sollte. Sie kannte keine Regeln für derartige Nachrichten, keine Etikette, der man zu folgen hatte, wenn man jemandem Nahestehenden, der einen für tot hielt, mitteilte, daß man noch am Leben war. Also beschloß sie endlich, das klare Worte wohl am besten sein würden.
Lieber lrish,
ich bin nicht bei dem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Nächsten Mittwochabend um sechs Uhr in Deiner Wohnung erkläre ich Dir alles.
Alles Liebe Avery
Sie schrieb den Brief mit der linken Hand — ein Luxus in letzter Zeit -, damit er ihre Handschrift erkannte, und schickte ihn ohne Absender ab.
Tate hatte kaum noch ein Wort mit ihr gesprochen seit ihrem Streit in der vergangenen
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