Trügerisches Spiel (German Edition)
nicht, aber ich will kein Risiko eingehen.« So schnell wie möglich stellte Jay sicher, dass alles in Ordnung war, dann winkte er Jocelyn heran. Er atmete erst auf, als sie sicher im Jeep saßen und er vom Parkplatz auf die Straße fuhr. Aufmerksam behielt er den Verkehr hinter sich im Auge, doch es schien ihnen niemand zu folgen. Erst als sie ein ganzes Stück entfernt waren, hielt er vor einem Supermarkt, an dessen Außenwand ein Telefon hing.
»Okay, rufen wir deinen Bruder an.« Als sie die Tür aufstoßen wollte, legte er seine Hand auf ihren Oberschenkel. »Warte, ich komme rum.«
Jocelyn nickte knapp, und er konnte deutlich die Verzweiflung in ihren Augen sehen. »Ich könnte es nicht ertragen, wenn ihm etwas passiert ist.«
»Wir werden alles tun, um ihm zu helfen.« Jay blickte sich noch einmal um, dann stieg er aus dem Wagen und ging rasch zur Beifahrerseite. Wie schon zuvor schützte er Jocelyn mit seinem Körper, während sie zu dem Telefon gingen. Er drückte ihr einige Münzen in die Hand und beobachtete die Umgebung, während sie die Nummer eintippte. Er nahm ihre freie Hand und drückte sie beruhigend. Zwar würde das nicht helfen, wenn ihr Bruder sich nicht meldete, aber zumindest wusste sie, dass sie nicht alleine war. Ihr Atem klang laut in seinen Ohren und an ihrem Handgelenk konnte er ihren rasenden Puls fühlen.
Beinahe endlos wartete sie, dann legte sie den Hörer auf. »Er geht nicht dran!« Tränen standen in ihren Augen und Jay zog sie beruhigend an sich.
»Wir werden ihn finden.« Die Frage war nur: in welchem Zustand? Jay blickte auf die Uhr. »Fahren wir zu Kevins Wohnung und sehen uns dort um.«
Hoffnungsvoll blickte sie ihn an. »Meinst du, er ist dort?«
»Dann wäre er vermutlich ans Telefon gegangen. Aber vielleicht finden wir dort einen Hinweis, was passiert ist. Vielleicht ist er einfach nur verreist.« Das wäre die beste Variante gewesen, aber sie war leider sehr unwahrscheinlich. »Komm, fahren wir.«
Wortlos kehrte Jocelyn zum Jeep zurück, ganz in ihre Gedanken versunken. Noch immer war sie erschreckend blass, und Jay spürte, wie seine Wut auf die Verbrecher immer größer wurde. Als Detective hatte er viel gesehen, Elend, Leid und unaussprechliche Verbrechen. Aber es war etwas anderes, wenn man persönlich betroffen war. Und das war er, da es um Jocelyn ging. Was sie verletzte, tat auch ihm weh. Hätte ihm jemand vor einer Woche gesagt, dass er so reagieren würde, hätte er ihn ausgelacht. Bisher war er im Department als beherrschter Kollege bekannt, der sich nicht anmerken ließ, wenn ihm ein Fall an die Nieren ging. Nur bei Rizzo hatte er kurzzeitig seine Fassung verloren, aber das hatten glücklicherweise nur Dave und Morris mitbekommen. Wenn er denjenigen in die Finger bekam, der Jocelyn das antat, konnte er für nichts garantieren.
Energisch schüttelte er die Gedanken ab und konzentrierte sich nur auf ihre Aufgabe. »Wie lautet die Adresse?« Jocelyn nannte sie ihm und er fuhr in die angegebene Richtung.
Wenige Minuten später kamen sie bei einem mehrstöckigen Mietshaus an, das dem ähnelte, in dem Jay wohnte. »Okay, wir sind da. Welches Stockwerk?«
»Parterre.« Sie deutete auf die linke Haushälfte. »Es ist die Eckwohnung. Er war damals so froh, als er die Wohnung bekommen hat, weil er nur einen Nachbarn über sich hat und sich dadurch der Lärm in Grenzen hält.«
Dummerweise galt das aber auch, wenn man überfallen wurde – niemand hörte einen. Ein ungutes Gefühl breitete sich in Jays Magen aus. Was war, wenn sich Kevin doch in der Wohnung befand? Tot. Am liebsten hätte er Jocelyn gebeten, im Auto zu warten, während er sich umsah, doch er wollte sie keine Sekunde aus den Augen lassen. Er parkte den Jeep in einer Parkbucht vor dem Haus und wartete eine Weile. Erst als er sicher war, dass niemand in der Nähe war, der sie beobachtete, stieg er aus und half Jocelyn aus dem Wagen. Gemeinsam gingen sie zur Eingangstür, die ein Stück offen stand. Jays Nackenhaare stellten sich auf.
»Das ist hier öfter so. Ich habe Kevin so oft gesagt, dass er mit der Hausverwaltung darüber reden soll, aber es ist nie etwas passiert.«
Okay, das hieß nicht unbedingt, dass ihr Bruder überfallen wurde, aber es machte den Verbrechern die Sache leichter. Er trat in den düsteren Flur und schob die Haustür hinter ihnen zu, damit sie niemand von hinten überraschen konnte. »Bleib hinter mir. Wenn wir bei der Wohnung sind, bleibst du so lange vor der Tür, bis
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