Trügerisches Spiel (German Edition)
wahrscheinlich erkannt und sie deshalb mitgenommen. Verdammt! Ein Luftzug strich durch Jays Haare und er blickte auf. Das Fenster stand ein Stück offen. Hatten die Täter es als Fluchtweg genommen, damit niemand sah, wie sie Jocelyn aus der Wohnung schleppten? Unwahrscheinlich, da die Feuertreppe zur Straße lag und das letzte Stück nur eine Leiter war. Es wäre sehr umständlich, einen erwachsenen Menschen dort hinunterzutransportieren, selbst wenn er so leicht war wie Jocelyn.
Unruhig stand Jay wieder auf und ging zum Fenster. Er würde den Einbruch melden müssen, damit die gesamte Wohnung auf Spuren untersucht wurde. Vielleicht hatten die Täter irgendwelche Hinweise auf ihre Identität hinterlassen, auch wenn es bei Profis unwahrscheinlich war. Mit der Schulter schob er das Fenster weiter nach oben und lehnte sich hinaus. Auf der Straße rollte der übliche Feierabendverkehr vorbei, ein Hund bellte in einiger Entfernung. Niemand sah aus, als hätte er gerade eine Wohnung verwüstet und eine junge Frau entführt.
Gerade als er seinen Kopf zurückziehen wollte, hörte er einen seltsamen Laut. Er schien von weiter unten zu kommen. Jay versuchte, etwas durch die Spalten im Metall zu erkennen, doch im Dämmerlicht funktionierte das nicht. Kurz entschlossen stieg er durch das Fenster und beugte sich über das Geländer der Feuertreppe. Sein Herz begann schneller zu klopfen, als er etwas auf dem Absatz unter ihm sah. War das ein Mensch? Mit der Pistole in der Hand ging er vorsichtig die Treppe hinunter. Jeder Schritt brachte das Metall zum Schwingen und verursachte ein Scheppern, das eine lautlose Annäherung unmöglich machte. Die letzten Stufen sprang Jay hinunter und landete direkt vor dem Bündel, das seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Es kauerte in einer Ecke, dicht an die Wand gepresst, die Arme zum Schutz um den Kopf geschlungen.
»Oh Gott, Jocelyn!« Jay kniete sich vor sie und strich vorsichtig ihre Haare zurück. Ein Schauder lief durch ihren Körper, und er erkannte, dass sie Todesangst haben musste. »Es ist alles in Ordnung. Ich bin es, Jay. Ich bin jetzt bei dir, niemand wird dir etwas tun.« Wenn möglich, wurde das Zittern noch stärker. Jays Herz krampfte sich zusammen. Er legte seine Hand über ihre und streichelte sie sanft. »Es tut mir leid, ich hätte dich nicht alleine lassen dürfen. Ich habe nicht damit gerechnet, dass sie dich bei mir finden.«
Unendlich langsam hob Jocelyn den Kopf und blickte ihn an. Ihre Wangen waren feucht, die Augen gerötet. »Sind … sind sie weg?«
»Ja. Schon lange, so wie es aussieht.« Jay setzte sich neben sie und lehnte den Hinterkopf an die Wand. »Bist du verletzt?«
Stumm schüttelte Jocelyn den Kopf. »Als ich sie an der Tür hörte, bin ich aus dem Fenster geklettert. Sie haben mich nicht gefunden.« Eine Träne lief über ihre Wange.
»Gott sei Dank. Ich hätte es mir nie verziehen, wenn dir etwas passiert wäre.« Vorsichtig legte Jay seinen Arm um ihre Schultern und zog sie an sich. »Haben sie irgendetwas gesagt, das du hören konntest?« Beruhigend rieb er über ihren Arm, als ihr Zittern wieder stärker wurde.
»Einer hat das Fenster geöffnet und ich dachte schon, er würde mich finden, aber dann hat jemand anders zu ihm gesagt, dass die Zeit knapp wird und d…das Miststück nicht da ist.«
Die Vorstellung, wie knapp Jocelyn den Verbrechern entgangen war, verursachte Jay eine Gänsehaut. Er musste sie unbedingt so schnell wie möglich hier wegbringen, damit so etwas nicht noch einmal passierte. In der beginnenden Dunkelheit hatte Jay das Gefühl, dass unzählige Augen auf ihnen ruhten. Was sollte er tun, wenn seine Wohnung beobachtet wurde? Irgendwie musste es ihm gelingen, Jocelyn ungesehen wegzubringen.
Mühsam kam er auf die Füße und hielt Jocelyn eine Hand hin. »Komm, wir gehen rein, hier ist es nicht sicher.« Wenn möglich wurde sie bei seinen Worten noch kleiner. Bevor er weitere Zeit verschenkte, bückte Jay sich und hob Jocelyn auf seine Arme. Ihr Körper versteifte sich, doch darauf konnte er im Moment keine Rücksicht nehmen. »Ich bringe dich jetzt in Sicherheit, Jocelyn.« Jedenfalls würde er es versuchen.
Als er das Fenster erreichte, schob er Jocelyn vorsichtig hindurch, bevor er selbst in die Wohnung kletterte. Seine Kehle zog sich zusammen, als sie sofort in sich zusammensank und sich auf dem Boden zu einer Kugel zusammenrollte. Bisher war sie ihm immer kämpferisch begegnet, doch anscheinend hatte der Überfall ihr
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