Trügerisches Spiel (German Edition)
sehr angenehm verlaufen, obwohl er befürchtet hatte, dass seine Mutter eine ihrer berüchtigten Befragungen abhalten würde. Anscheinend hatte seine Warnung, dass Jocelyn sehr viel durchgemacht hatte und nichts über sich erzählen konnte und durfte, gefruchtet. Nur einmal war die Stimmung ins Wanken geraten, als Angela ihn mit Tränen in den Augen angesehen hatte. Auf seinen fragenden Blick hin hatte sie nur mit den Schultern gezuckt und gesagt, dass es gut wäre, ihn mit der richtigen Frau zusammen zu sehen. Seinen Protest hatte sie einfach zur Seite gewischt. Jocelyn war das Ganze erkennbar peinlich gewesen, deshalb hatte er es auf sich beruhen lassen und nur entschuldigend unter dem Tisch ihr Bein gedrückt.
Mit einem tiefen Seufzer ließ Jay sich auf das Bett zurückfallen und grub seine Hände in die Haare. Bisher hatte er nur selten seine jeweilige Freundin mitgebracht, aber sie alle entsprachen nicht dem, was sich Angela als Schwiegertochter wünschte. Genau das war seine Absicht gewesen – seine Mutter gar nicht erst auf Ideen zu bringen. Sollte es ihm jemals mit einer Frau ernst sein, würde er sie bestimmt nicht sofort zur Ranch bringen, so wie Shane es damals mit Autumn gemacht hatte, damit seine Gefühle dann auch von allen Familienmitgliedern seziert wurden. Jocelyns Gesicht tauchte vor seinem inneren Auge auf, doch er schüttelte den Gedanken rasch ab. Er mochte sie und fühlte sich für ihre Sicherheit verantwortlich, das war alles. Und wenn es ihm gefallen hatte, wie sie sich letzte Nacht an ihn geschmiegt hatte, dann war das ganz natürlich. Er war schließlich ein Mann.
Abrupt setzte Jay sich wieder auf und entschied, dass er endlich schlafen musste, wenn er morgen früh gleich nach dem Frühstück aufbrechen wollte. So gerne er auch noch geblieben wäre, seine Arbeit konnte nicht warten, und außerdem würde er hier nichts über denjenigen erfahren, der es auf Jocelyn abgesehen hatte. Jays Muskeln spannten sich an, als er darüber nachdachte, wie er Leone endlich seiner gerechten Strafe zuführen konnte. Dafür musste er nur Beweise finden, die ihn mit den Anschlägen auf Jocelyn und den Fahrstuhlmorden in Verbindung brachten.
Auch als er einige Minuten später im Bett lag, wirbelten diese Gedanken noch durch seinen Kopf. Es musste ihm einfach gelingen, nicht zuletzt um Jocelyn ein normales Leben zu ermöglichen. Da er wusste, dass er das Problem nicht heute Abend lösen würde, knipste er das Licht aus und schloss die Augen. Trotzdem dauerte es eine lange Zeit, bis er einschlief.
Ein seltsames Geräusch weckte Jay. Augenblicklich hellwach setzte er sich auf, die Pistole in der Hand.
»Jay?«
Als er Jocelyns Stimme hörte, ließ er die Waffe sinken und stieß den angehaltenen Atem aus. »Ja? Ist etwas passiert?«
Jocelyn schloss die Tür hinter sich und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. »Nein, es ist nichts. Ich habe nur …« Sie brach ab.
Jay lehnte sich zur Seite und schaltete die Nachttischlampe an.
Jocelyn hielt eine Hand vor ihr Gesicht. »Nein! Mach das Licht aus, bitte.«
Gegen besseres Wissen gehorchte er und tauchte den Raum wieder in Dunkelheit. »Besser?«
»Ja.« Ihr Nachthemd raschelte, als sie sich bewegte. »Entschuldige, dass ich dich störe. Ich konnte nicht schlafen …« Wieder beendete sie ihren Satz nicht.
»Stimmt irgendwas nicht mit deinem Zimmer?«
»Nein! Nein, es ist wunderschön.« Direkt neben dem Bett blieb sie stehen. In dem durch den Vorhang dringenden Mondlicht konnte er ihre Silhouette sehen. Ihr Gesicht blieb im Schatten. »Es ist nur …« Sie atmete tief durch. »Ich wollte fragen, ob ich vielleicht bei dir schlafen kann.« Als er schwieg, redete sie schnell weiter. »Letzte Nacht habe ich so gut geschlafen wie seit einem Jahr nicht mehr, deshalb dachte ich …« Sie schüttelte den Kopf. »Vergiss es, es war ein Fehler.«
Als sie sich rückwärts zur Tür bewegte, hechtete Jay über das Bett und schlang seine Finger um ihr Handgelenk, bevor sein Gehirn überhaupt registrierte, was er vorhatte. »Bleib hier, Jocelyn.« Er zog sie sanft zum Bett. »So kann ich auch besser auf dich aufpassen.«
Das stimmte zwar theoretisch, aber es war in der Sicherheit des Hauses seiner Eltern nicht wirklich nötig. Nein, ihre Worte hatten die Erinnerung an letzte Nacht zurückbeschworen, daran, wie gut und richtig es sich angefühlt hatte, sie in den Armen zu halten. Das hatte nichts mit Leidenschaft oder gar Liebe zu tun, sondern mit dem Zurückdrängen
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