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Trümmermörder

Trümmermörder

Titel: Trümmermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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zusammenreimt.«
    »Der Trümmermörder weiß jetzt, dass es eine Zeugin gibt. Vielleicht weiß er, dass ich es war, denn möglicherweise hat er mich an jenem Abend gesehen.«
    »Wenn er Sie tatsächlich gesehen hat, dann musste er sowieso damit rechnen, dass Sie zur Polizei gehen. Und auch nach diesem Artikel weiß er nicht, wer Sie sind, wie Sie heißen, wo Sie wohnen.«
    Anna von Veckinhausen zuckt die Achseln.
    »Ich hatte gehofft, dieser Zeitungsbeitrag würde den Mörder nervös machen«, gesteht der Oberinspektor. »Vielleicht so nervös, dass er zum Tatort zurückkehrt. Um Spuren zu beseitigen oder dergleichen. Das kommt oft vor.«
    »Hat er?«
    Stave schüttelt den Kopf. »Vielleicht stören ihn unsere Nachforschungen nicht. Er fühlt sich nicht bedroht.«
    »Ich kann es mir denken«, antwortet Anna von Veckinhausen und blickt auf das Eis. »Werde ich observiert?«
    Stave blickt sie überrascht an. »Nein. Warum fragen Sie das?«
    »Bin ich nicht Ihre einzige Zeugin? Fürchten Sie nicht, dass der Mörder mir auflauern könnte, um mich für immer zum Schweigen zu bringen?«
    »Er weiß nichts über Sie. Wollen Sie, dass wir Sie im Auge behalten?«
    Da lächelt sie zum ersten Mal flüchtig. »Besser nicht.«
    »Fühlen Sie sich beobachtet?«
    Sie legt den Arm vor den Körper, wie sie es so oft tut. »Fühlen wir uns nicht alle beobachtet?«
    Sie geht wieder los, schlendert am Bach entlang. Stave bleibt neben ihr. Er ist hungrig und müde, sein Bein schmerzt. Gerne würde er sie in ein Café einladen, und wäre es nur für eine dünne Kohlsuppe in einem halb ausgebombten Haus. Doch er wagt nicht, das vorzuschlagen. Ihm fällt auch nichts mehr ein, das er sie noch fragen könnte. Eigentlich idiotisch, dass ich hier noch einmal aufgekreuzt bin, denkt er. Aber es ist schön, endlich einmal wieder neben einer Frau zu gehen. Selbst mit dieser Kälte, selbst durch diesen verwüsteten Park, selbst wenn man sorgfältig darauf achtet, ihr nicht zu nahe zu treten, immer einen halben Meter Abstand zwischen den Schultern zu lassen. Und doch: ihr eleganter Gang, trotz des schäbigen Mantels, der den Körper umhüllt, und der schweren Stiefel an den Füßen. Die Strähne schwarzen Haares, die unter dem Kopftuch hervorgerutscht ist und die sie manchmal gedankenverloren in die Stirn schiebt, aber nie hoch genug, als dass sie nicht wieder hinunterfallen würde. Ihre Verletzlichkeit, wenn sie den Arm vor die Brust legt. Ihr seltenes Lächeln. Stave meint sogar, einen Hauch ihres Duftes einzuatmen, doch das muss eine Illusion sein, in dieser Kälte.
    Sei kein Idiot, ermahnt er sich.
    Weil ihm nichts Besseres einfällt, stellt er ihr die gleichen Fragen noch einmal. Sie erzählt bereitwillig. Keine Widersprüche, stellt ein Teil von Staves Verstand fest. Der andere Teil seines Selbst ist einfach glücklich, ihren Worten zu lauschen, an ihrer Seite zu gehen.
    Irgendwann kehren sie um, ohne dass sie darüber ein Wort verloren hätten. Es dunkelt, doch der eisige Bach glitzert wie ein Leuchtband.
    »Sie kommen mit Ihrem Fall nicht voran«, sagt Anna von Veckinhausen. Keine Frage, sondern eine Feststellung, nicht unfreundlich.
    Er lächelt gequält. »So ein Verbrechen hatte ich noch nie«, gesteht er. »Wir können nicht einmal die Toten identifizieren.«
    »Wundert Sie das?«
    Er blickt sie überrascht an, nickt dann. »Ja.«
    Sie schüttelt den Kopf. »Sie glauben an das Gute im Menschen. Trotz allem.« Mit einer Geste deutet sie auf einen Schuttberg.
    »Ich weiß nicht, was die Identifikation von vier Toten mit dem Glauben an das Gute im Menschen zu tun haben soll.«
    Anna von Veckinhausen lächelt ihn an, mitleidig, wie er findet. »Ich habe den Alten gehört, der Ihnen vorhin in der Nissenhütte die Tür geöffnet hat. Johann Schwarzhuber, Witwer, geflohen aus Breslau, seit acht Monaten in Hamburg, alter Parteigenosse, früher Tischler, jetzt Rentner, keine Angehörigen. Das weiß ich alles, obwohl ich wahrscheinlich noch keine zehn Sätze mit ihm gewechselt habe. Aber was weiß er über mich?«
    »Nicht einmal Ihren Namen.«
    »Wenn ich von diesem Spaziergang an der Wandse nicht zurückkäme, Herr Oberinspektor, der brave Rentner Johann Schwarzhuber würde mich nicht als vermisst melden. Und sollte mein Foto irgendwann auf einem Ihrer Plakate auftauchen, würde er sich nicht bei der Polizei melden. Er würde wegschauen, etwas wenig Schmeichelhaftes vor sich hin brummen und meinen Verschlag plündern, bevor es jemand anders tut.

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