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Trümmermörder

Trümmermörder

Titel: Trümmermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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dicke Bündel von 100-Reichsmark-Scheinen oder gegen Zigaretten. Immer wieder gibt es Razzien, doch gegen den Schwarzmarkt ist nichts zu machen. Die Polizei hat im vergangenen Jahr über 1000 Tonnen Lebensmittel sichergestellt, Zehntausende Liter Wein, über 4800 Ampullen Morphium aus Armeebeständen, gestohlenes Penicillin, sogar Pferde und Autos.
    Für viele Hamburger hat dieser heimliche Handel etwas Schmutziges, zutiefst Entwürdigendes. Herumstehen am Straßenrand wie ein leichtes Mädchen. Elende Preise für mühsam aus den Bombennächten gerettete Erbstücke, ein paar Zigaretten für einst teure Antiquitäten, aber 1000 Reichsmark für ein paar Pfund Butter. Schwarzhändler und Hehler werden in den Zeitungen »Ernährungsschädlinge« geschimpft, ganz in der alten Diktion, so als seien die Nazis noch an der Macht. Und doch: Wenn einem das einzige Paar Schuhe am Fuß zerfällt und man in der ganzen Stadt keinen Ersatz auf Bezugsschein bekommt – was bleibt einem anderes übrig, als sich zu den flüsternden Gestalten zu gesellen?
    Auf dem Schwarzmarkt begegnen sich alle Hamburger: Reiche und Arme, Alte und Junge. Jeder kann mit jedem Waren tauschen, jede noch so absurd erscheinende Verbindung zwischen zwei Personen ist dort möglich. Und: Es geht um hohe Summen, um alte Schätze oder um Waren, ohne die man kaum überleben kann. Gründe genug, sogar einen Mord zu begehen. Zumal kaum ein Schwarzhändler von sich aus zur Polizei ginge.
    »Es könnte was mit dem Schwarzmarkt zu tun haben«, stimmt MacDonald zu.
    »Jedes verdammte Verbrechen in Hamburg könnte mit dem Schwarzmarkt zu tun haben«, erwidert Maschke. »Aber Genaueres wissen wir nicht. Keine Indizien. Vielleicht sind die Opfer ja auch Plünderer gewesen? Und sind Konkurrenten in die Quere gekommen? Revierkämpfe um die besten Trümmerhaufen, vielleicht sind wir schon so weit.«
    Stave nickt. »Auch eine Möglichkeit. Und mir fallen noch ein paar ein: die Vermissten etwa. Wir haben Hunderte Vermisstenfälle in der Stadt. Offenbar passt keiner der Fälle auf die junge Frau. Und wie es mit dem Alten aussieht, werden wir frühestens morgen wissen. Und doch könnte es sein, dass wir unter den Vermisstenfällen vielleicht irgendeine Art Muster erkennen.«
    MacDonald zieht eine Augenbraue hoch. Offenbar mag er Staves Überlegungen nicht folgen. »Welches Muster?«, fragt er.
    Der Oberinspektor zuckt mit den Achseln. »Keine Ahnung. Vielleicht stellen wir fest, dass in der letzten Zeit auffallend viele junge Mädchen verschwunden sind. Oder alte Männer. Oder dass es einen Vermissten gibt, der mit einem jungen Mädchen und einem alten Mann verwandt ist. Was weiß ich?«
    »Scheint mir eine ziemlich vage Spur zu sein«, bemerkt der Lieutenant.
    Stave ignoriert den Einwand, denn der Brite hat ja recht. »Dann gibt es da noch die DPs«, fährt er fort. »Menschen ohne Wurzeln hier. Menschen, die nichts mehr zu verlieren haben. Menschen, deren Identität manchmal nicht einmal die alliierten Behörden kennen, deren Bewegungen kaum jemand kontrolliert und deren Geschäfte niemanden interessieren. Vielleicht kein Wunder, dass kein Hamburger sich auf das Plakat hin gemeldet hat.«
    »Aber wir haben die Plakate auch in den DP-Lagern anschlagen lassen«, wirft Maschke ein. »Dort leben die Menschen dicht beieinander. Irgendjemand hätte die Tote erkannt. Und selbst wenn die DPs schweigen, vielleicht aus Angst oder weil sie den deutschen Behörden nicht trauen – ein britischer Wächter hätte die Unbekannte gemeldet.«
    Maschke stemmt sich aus dem Stuhl und geht im Büro auf und ab. Scheint unruhig zu sein, denkt Stave. Vermutlich, weil er langsam realisiert, dass wir keine einzige heiße Spur haben und nur eines mit ziemlicher Sicherheit vermuten können: dass es kein Sexualdelikt ist. Dann braucht man bei den Ermittlungen keinen Krimsche von der Sitte mehr. Der hat Angst, dass ich ihn zu seinen Freiern und Mädchen zurückschicke, vermutet Stave und hat plötzlich so etwas wie Mitleid mit Maschke.
    »Also gut«, sagt er deshalb laut, »gestehen wir uns ein, dass es keine zwingende Theorie gibt. Vorerst. Nehmen wir dafür alle vagen Spuren ernst. Ich werde eine große Schwarzmarkt-Razzia organisieren. Für kommenden Montag schon. Nehmen wir ein paar Händler hoch und sehen wir, was wir finden – vielleicht einen Rucksack, bei dem ein Riemen fehlt. Oder noch ein Medaillon mit einem Kreuz und zwei Dolchen darauf. Oder ein Suspensorium.«
    Die beiden anderen lachen

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