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Trümmermörder

Trümmermörder

Titel: Trümmermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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keine große Aktion mehr. Wird Zeit, die Herren Schieber wieder einmal schwitzen zu sehen. Und meine Jungs bleiben in Übung. Ich schlage vor, dass wir uns den Hansaplatz vorknöpfen. Da sammeln wir die meisten Kunden ein und mehr Waren als irgendwo sonst.«
    Niemand widerspricht.
    Stave nickt. Wenn es einen Ort gibt, der für den Schwarzmarkt wie geschaffen ist, dann der Hansaplatz: früher eine beschauliche Fläche, umgeben von mehrstöckigen, kleinbürgerlichen, alten Mietshäusern im Stadtteil St. Georg. Die Gebäude sind wie durch ein Wunder fast unbeschadet durch den Bombenhagel gekommen, der Hauptbahnhof liegt nur ein paar hundert Schritte entfernt. Kuriere und Schmuggler bringen heiße Waren aus allen Besatzungszonen und sogar aus dem Ausland zunächst bis zum Bahnhof. Schieber verstecken Penicillin, Zigaretten, Schnaps und Kaffee anschließend in den billigen Hotels nahe dem Hansaplatz oder in Mietwohnungen. In manchen Absteigen haben die Kollegen vom Chefamt S schon große Warenlager ausgehoben. Von den Verstecken tröpfelt die Ware schließlich auf den Hansaplatz, wo sich Tag für Tag Hunderte Hamburger einfinden, die irgendetwas brauchen, das es nicht auf Karte gibt.
    Kein Anwohner von St. Georg würde die Schieber und ihre Kunden je verpfeifen, weil auch für sie etliche Krümel abfallen: ein Pfund Butter als Miete für diejenigen, die ein Zimmer ihrer Wohnung zur Verfügung stellen und nie so genau nachfragen, was dort in den Kisten liegt; eine Packung Lucky Strike für ein paar Jungs, die Schmiere stehen; Vorzugspreise für Selbstgebrannten.
    »Wann?«, fragt Stave.
    »Heute noch«, antwortet der Beamte vom Chefamt S, »damit niemand Wind von der Sache bekommt. Geben Sie mir etwas Zeit, um meine Leute zusammenzutrommeln. Dazu eine Hundertschaft Uniformierte. Ein paar britische Lastwagen, damit wir unsere Männer unbemerkt sammeln und erst im letzten Augenblick nach St. Georg schaffen können. Sagen wir: fünf Uhr nachmittags. Da kommen die Leute aus den Büros und Läden, es wird ordentlich voll und die Schieber holen Nachschub. Außerdem dämmert es dann bereits. Sie werden uns erst spät kommen sehen.«
    »Gut«, sagt der Oberinspektor. »Ich werde um halb fünf auf dem Hansaplatz sein und mich ein wenig umsehen. Mich wird dort niemand kennen. Vielleicht fällt mir da schon jemand auf. Um fünf Uhr machen wir dann den Sack zu und verfrachten die ganze Bagage auf die Wache. Ich will, dass alle, die wir einsammeln, noch in dieser Nacht verhört werden. Und ich will eine genaue Aufstellung aller beschlagnahmten Waren.«
    Die Kollegen verlassen sein Büro, zufriedene Gesichter, geflüsterte Anweisungen. Jagdfieber.
    Man braucht kaum eine halbe Stunde zu Fuß von der Kripo-Zentrale zum Hansaplatz. Stave marschiert mit hochgeschlagenem Mantelkragen und gesenktem Haupt über die Lombardsbrücke. Die Außenalster zu seiner Linken ist eine riesige, weißbläuliche Eisfläche, auf die eine schwache Nachmittagssonne rosafarbene Lichtmuster malt. Zwei Kinder drehen auf Schlittschuhen Kringel, einige Paare schlendern unsicheren Schrittes über das Eis. Stave verzieht das Gesicht. Der glatte Boden ist ein guter Vorwand, um ein Ausrutschen anzutäuschen und sich dann beim Partner festzuhalten. Sehr romantisch, selbst bei minus 20 Grad.
    Der kürzeste Weg wäre, bis zum Hauptbahnhof zu gehen und dort links abzubiegen Richtung Hansaplatz, doch Stave entscheidet sich dagegen. Zwar kennt ihn auf dem Schwarzmarkt von St. Georg niemand, doch am Hauptbahnhof treibt er sich häufiger herum, auf der Suche nach seinem Sohn. Also nimmt er Nebenwege durch St. Georg, bis er auf die Brennerstraße trifft, die ihn von der dem Hauptbahnhof gegenüberliegenden Seite auf den Hansaplatz führt. Vorbei am Hotel »Würzburger Hof«, wo die Krimsches vom Chefamt S im letzten Herbst einige Fässer Präparieralkohol sicherstellten, der aus dem Zoologischen Staatsinstitut gestohlen worden war. Die Diebe hatten dazu die Gläser mitgehen lassen, in denen Bandwürmer, Schlangen und Eidechsen trieben. Der Präparieralkohol wurde von der Bande als selbstgebrannter »Doppelkümmel« auf dem Scharzmarkt verscherbelt, 500 Reichsmark die Flasche. Als die Beamten schließlich einen Tipp bekamen und die Sache hochgehen ließen, war bereits die Hälfte der Beute durch die Kehlen nichtsahnender Trinker geflossen: 10000 Liter Bandwurmglück.
    Am Ende der Brennerstraße lungern zwei Halbwüchsige herum – sie stehen Schmiere. Sie werfen ihm nur einen

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