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Trümmermörder

Trümmermörder

Titel: Trümmermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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nicht auf die Couch. Er entschuldigt sich für seinen Überfall. Dann fängt er an zu erzählen, von den Opfern, den Fundorten, den wenigen Spuren. Von Medaillons mit seltsamen Zeichen. Von Vermisstenanzeigen, die nie eingehen. Von Toten, die niemand identifiziert. Von Würgemalen und nackter Haut. Von Ruinen und verbrannten Mauern und dünnem Schnee auf Zement.
    Der Psychologe unterbricht ihn nicht. Die irritierenden Augen blicken ihn unverwandt an, er macht sich keine Notizen, sitzt entspannt und doch aufmerksam in seinem Sessel. Vielleicht hat ihn meine Geschichte tatsächlich gepackt, hofft Stave, hat sein professionelles Interesse geweckt. Oder er beherrscht seine Posen perfekt.
    »Ich habe die Geschichten von dem Trümmermörder gelesen«, sagt der Psychologe schließlich, als Stave nichts mehr einfällt, das er noch berichten könnte. »In der Zeit . Und die Fotos der Opfer starren einem ja von jeder Litfaßsäule entgegen.«
    »Erkennen Sie ein Muster?«, fragt Stave. »Verraten Ihnen die Morde irgendetwas über den Mörder? Etwas, das uns vielleicht bisher entgangen ist? Wer tut so etwas und warum? Was verbindet diese Morde – außer dem identischen Tathergang? Ich bin auf der Suche nach neuen Spuren.«
    »Sie wissen nicht mehr weiter.«
    »Ich weiß nicht mehr weiter.«
    Bürger-Prinz runzelt die Stirn. »Ich hoffe, Sie erwarten nicht ernsthaft von mir, dass ich Ihnen innerhalb von einer Minute eine Lösung für einen Fall präsentiere, über den Sie, ein erfahrener Kriminalist, seit Wochen vergebens nachgrübeln.«
    »Vielleicht erkennen Sie wenigstens so etwas wie ein Muster«, beharrt Stave. »Bei der Wahl der Orte etwa, an denen der Unbekannte die Leichen ablegt. Oder bei den Opfern, die er auswählt.«
    Der Psychologe steht auf, geht zum Schreibtisch, holt dort aus einer Schublade einen Stadtplan Hamburgs hervor, studiert ihn. »Trümmergrundstücke, zerbombte Kleine-Leute-Viertel, dreimal östlich, einmal westlich der Alster. Keller, Fahrstuhlschacht, Bombentrichter. Der Mörder versteckt die Leichen, doch das reicht ihm.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Er will sie nicht verschwinden lassen. Nicht für immer verbergen. Nur lange genug, dass er selbst nicht entdeckt wird.«
    »Kein Wunder, er hatte wenig Zeit: Alle Opfer – außer dem letzten, bei dem wir noch die Obduktion abwarten müssen – sind am gleichen Tag umgebracht worden. Am 20. Januar.«
    »Sie müssen aber nicht alle am selben Tag zu ihren Fundorten gebracht worden sein.«
    Stave starrt den Psychologen an. »Sie meinen, jemand bringt mehrere Leute um und versteckt alle seine Opfer an einem bestimmten Ort. Und dann räumt er nach und nach sein Lager?«
    Bürger-Prinz lächelt nachsichtig. »Kalt genug dafür wäre es. Und Ihr Unbekannter wäre nicht der erste Mörder, der Tage oder Wochen nach der Tat die Leichen von einem Ort zum anderen verfrachtet.«
    »Da spielt jemand ein perverses Spiel mit uns?«
    »Möglicherweise. Vielleicht treiben den Täter aber auch ganz praktische Gründe. Er kann jeweils immer nur einen Körper tragen. Vielleicht ist er jede Nacht unterwegs.«
    »Jede Nacht?« Der Oberinspektor schließt die Augen.
    »Auf jeden Fall handelt der Mörder überlegt. Rational. Übrigens könnte es bei den Fundorten noch eine Gemeinsamkeit geben: die drei östlichen Stellen liegen nahe am Hauptbahnhof, die westliche nahe am Bahnhof Dammtor.«
    »Der Mörder sucht sich seine Opfer in Zügen? Oder am Bahnhof?«
    »Und bringt sie in der Nähe der Bahnhöfe um. Dann versteckt er seine Opfer in Trümmergrundstücken, die in der Nachbarschaft liegen.«
    »Alle Opfer an einem Tag? Vier Tote, zwei Bahnhöfe? Züge fahren nur tagsüber. Nach acht Uhr abends sind Bahnhöfe menschenleer. Wenn der Mörder sein Opfer tagsüber attackiert, wie schafft er die Leichen dann unentdeckt auf die Trümmergrundstücke? Wenn er nachts seine Opfer versteckt – wie kann er sie zuvor am Bahnhof getroffen haben? Bringt er sie tagsüber irgendwo um, wartet dann stundenlang und versteckt sie schließlich? Wohl kaum.«
    »Wenn er sich seine Opfer aus den letzten Zügen aussucht, dann wäre das denkbar. Ein Zug, der um halb sechs abends kommt, fährt bereits in einen dunklen Bahnhof ein. Einen sehr dunklen Bahnhof. Und bei dieser Kälte einen sehr einsamen Bahnhof. Sagen wir: Er tötet den alten Mann am Bahnhof Dammtor, dann die drei weiblichen Opfer am Hauptbahnhof. Das mag zu schaffen sein.«
    »Sie glauben an einen geübten Mörder?«
    Bürger-Prinz

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