Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trümmermörder

Trümmermörder

Titel: Trümmermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
Vom Netzwerk:
denkt nach. »Vielleicht sucht sich der Täter das jeweils schwächste Opfer aus«, murmelt er.
    Stave starrt ihn nur fragend an.
    »Die Person aus einem Zug, die er hofft, am leichtesten überwältigen zu können. Eine Frau. Ein Kind. Ein alter Mann.«
    Der Oberinspektor erinnert sich an die endlosen Stunden, die er am Bahnhof verbracht hat, an seine forschenden Blicke auf die einfahrenden Waggons, an die Tausende von Menschen, die an ihm vorbeigedrängt sind. Er schüttelt den Kopf. »Das mit dem Mädchen würde ich glauben, mit dem Alten vielleicht auch. Aber die Frauen passen nicht in dieses Muster. Sie werden keinen Zug finden heutzutage, in dem eine junge Frau die schwächste Person ist. Es sind immer Kinder unterwegs, außerdem Alte und Kriegskrüppel.«
    Er zögert, weil ihm etwas auffällt. »Der alte Mann wurde als einziges Opfer geschlagen, schwer verprügelt sogar, nach allem, was der Pathologe feststellen konnte. Von den vier Menschen, die sich der Mörder bislang aussuchte, war er aber nicht der stärkste und schon gar nicht der beweglichste. Die beiden Frauen hätten sicherlich eine für ihn gefährlichere Gegenwehr leisten oder leichter fliehen können.«
    Der Psychologe lächelt. »Ich sehe, worauf Sie hinauswollen: Familie. Jemand hegt einen tödlichen Groll gegen eine Familie – wahrscheinlich seine eigene. Deshalb müssen die Menschen sterben. Der alte jedoch, der Patriarch, muss besonders leiden, ihn verprügelt der Mörder, bevor er die Schlinge zuzieht.«
    Stave nickt. »Selbstverständlich kann das ein Zufall sein. Vielleicht will der Mörder alle Opfer so erwürgen, dass sie sich erst gar nicht wehren können. Vielleicht schleicht er sich von hinten an. Oder er betäubt sie. Und allein beim Alten ging zufällig etwas schief, den bekam er nicht unter Kontrolle, musste deshalb zuschlagen. Aber einmal angenommen, es ist kein Zufall …«
    »Dann sind die Schläge ein Indiz für einen besonders großen Zorn. Für Hass. Für einen Wunsch nach Rache, Bestrafung, Vergeltung.«
    »Dann hat der Mörder seine Opfer gekannt. Er bringt sie alle um, aus Gründen, die wir noch nicht kennen. Aber diesen einen, den attackiert er besonders grausam.«
    »Er bestraft ihn.«
    »Ein Alter, eine Frau Mitte dreißig, eine Frau um die zwanzig, ein höchstens achtjähriges Mädchen – wer kann etwas gegen derart unterschiedliche Menschen haben? Ein Getriebener, der alle seine Angehörigen umbringt?«
    »Alle Toten wären demnach verwandt.«
    »Weshalb es keine Vermisstenmeldung gibt. Der einzige Verwandte, der sie vermissen könnte, ist der Mörder.«
    Der Psychologe blickt aus dem Fenster. »Der alte Mann könnte der Vater der beiden Frauen sein. Der Großvater des Mädchens, vielleicht auch der Großvater des Mädchens und der jüngeren der beiden Frauen. Aber wäre eine der beiden Frauen die Mutter des Mädchens? Die eine wäre zu jung. Die ältere könnte es sein – doch Sie sagten mir, dass der Pathologe nicht glaubt, dass sie je schwanger gewesen ist.«
    »Sie ist am Unterleib operiert worden. Wir wissen nicht, wann. Und vor der Obduktion wissen wir auch gar nicht, was sie operiert haben.«
    »Bei einer vierzehn Zentimeter langen Operationsnarbe kann da unten nicht mehr allzu viel intakt sein«, murmelt der Psychologe.
    »Trotzdem kann sie vor dem Eingriff schwanger gewesen sein.«
    »Also gut, nehmen wir das mal als Hypothese an: Wir haben Großvater, Tochter, Enkelkind, dazu eine junge Verwandte, vielleicht die deutlich jüngere Schwester der älteren Frau.«
    Stave lächelt zum ersten Mal, seit er die Praxis betreten hat. »Nehmen wir weiterhin an, dass die Ausführung der Taten und die Zeugenaussage auf einen männlichen Täter hindeuten. Und nehmen wir an, dieser Täter ist verwandt mit den Opfern. Dann bleibt als Hauptverdächtiger der Mann der älteren Frau und somit Vater des Mädchens übrig. Den müssen wir suchen.«
    Bürger-Prinz sieht ihn an, so etwas wie Bedauern im Blick. »Vielleicht werden Sie ihn auch zwischen Trümmern finden, festgefroren am Boden und mit Würgemalen am Hals.«
    Der Oberinspektor schnappt nach Luft. Plötzlich hat er eine Vision: Jeden Tag findet er in Ruinen eine steifgefrorene Leiche, mal ein Mädchen, mal einen Jungen, eine Frau, einen Mann … Und wenn dieser ewige Winter doch jemals enden wird, dann werden Leichen, die monatelang unentdeckt in Kellern lagen, auftauen, und ihr Verwesungsgestank wird die Ratten anlocken und dann die Polizei.
    »Wenn es wirklich ein

Weitere Kostenlose Bücher