Trugschluss
dachte scharf nach. Es würde
wieder Sonntag sein, der 14. wohl.
»Sie wissen es nicht?«, fragte Willing
triumphierend. Als Linkohr ratlos mit dem Kopf schüttelte, klärte der Erfinder
auf: »Einsteins 125. Geburtstag.«
60
Freitag, 12. März 2004.
Bruhn war nicht begeistert gewesen. Schon gar nicht, nach dem
verheerenden Terroranschlag vom gestrigen Donnerstag in Madrid. Pendlerzüge
waren in die Luft gesprengt worden – mehr als 190 Tote habe es gegeben und
unzählige Verletzte, berichteten die Zeitungen heute. Die Urlaubssperre, die er
schon an Weihnachten angeordnet hatte, dauerte bis zum 15. März – und nun
erdreistete sich dieser Häberle, für die Überstunden, die wegen des
Terror-Alarms seit Jahresanfang angefallen waren, an diesem Freitag frei zu
nehmen – um das Wochenende zu verlängern, hatte der Ermittler argumentiert und
war mit seinem Anliegen bis zum PD-Leiter gegangen, der schließlich die
Genehmigung erteilte. Allerdings war dies noch vor dem Terroranschlag in
Spanien gewesen.
Häberle wusste, dass Bruhn sich übergangen
fühlen und entsprechend reagieren würde. Aber das nahm er in Kauf – Hauptsache,
er roch nicht Lunte und würde ihn nicht noch im letzten Moment zurückpfeifen.
Aber sie hatten schon Wochen nichts mehr über den Brummton-Fall geredet – und
schon gar nicht über Lugano.
Noch am gestrigen Donnerstagabend hatte
Häberle das gemietete Wohnmobil, ein kleineres der Marke Knaus, in Grunbach
abgeholt und es vor dem schmucken Einfamilienhäuschen geparkt. Mehrfach bereits
waren sie auf diese Weise in den Urlaub oder ins verlängerte Wochenende
gefahren. Sie hatten also Routine mit dem Einräumen aller notwendigen
Utensilien.
Obwohl sie das Tessin sehr gerne im
Frühjahr erlebte, konnte sich Susanne Häberle diesmal nicht so richtig darauf
freuen, wusste sie doch, dass es keine normale Reise sein würde. Daran musste
sie denken, als sie den Küchenblock mit allem belud, was an Verpflegung für
zwei, drei Tage gebraucht wurde.
Ihr Ehemann befüllte in der Kälte des
Abends mit dem Gartenschlauch den Frischwassertank und goss biologisch
abbaubare Toiletten-Chemie in den dafür vorgesehenen Auffangbehälter. Er war
mit der komplizierten Technik eines solchen Fahrzeugs vertraut, testete die
Batterie für die Bordsysteme und hatte sich bei der Übernahme des Fahrzeugs
vergewissert, dass die beiden Gasflaschen gefüllt waren. Diese wurden nicht nur
für den Herd gebraucht, sondern auch für die Standheizung. Im Tessin, das
wusste Häberle, konnte es nachts um diese Jahreszeit empfindlich kühl werden.
Der Kriminalist hatte nur seinen jungen
Geislinger Kollegen in sein Vorhaben eingeweiht. Vorsorglich programmierte er
in sein Handy die Telefonnummer jener Dienststelle in Lugano ein, die ihm im
Dezember so unbürokratisch behilflich gewesen war.
Häberle trug verwaschene Jeans und ein ebensolches Hemd, als sie
an diesem Freitagmorgen kurz vor sieben starteten. Seine Frau, die sich auf dem
gepolsterten Beifahrersitz des Fiat Ducato gemütlich machte, hatte sich
ebenfalls leger gekleidet.
»Alles klar?«, fragte Häberle eher
rhetorisch und startete den Turbo-Diesel, der mit der Schlafkoje überm
Fahrerhaus heftig gegen den Luftwiderstand zu kämpfen haben würde. Aber die 127
PS sorgten dafür, dass der Klein-Laster auch an den Bergstrecken kein allzu
großes Hindernis für den nachfolgenden Verkehr war. Häberle wusste dies und
verlangte deshalb immer nach einem Wohnmobil mit Turbo-Antrieb.
Auf SWR 1 kamen gerade Nachrichten, als
sie in der Morgendämmerung Göppingen südwärts verließen – auf der unsäglichen
Ampelstrecke der B 10 über Geislingen zur Hochfläche der Schwäbischen Alb. Der
Wetterbericht kündigte eine deutliche Erwärmung an. Frühlingshafte zwölf bis
fünfzehn Grad werde es in Baden-Württemberg geben, hieß es.
Als die B 10 bei Dornstadt, kurz vor Ulm,
endlich vierspurig wurde, zog Häberle an der endlosen Kolonne der Lastzüge
vorbei. Der Turbo war wirklich kraftvoll, stellte er zufrieden fest. Sie
überquerten die Autobahn A 8 und rollten auf Ulm zu, wo sich die Schwäbische
Alb sanft zur Donau hin senkt. Langsam wurde es richtig hell, wenngleich der
Himmel verhangen war. Hinter dem Tunnel, der kurz vor Ulm einen Bergrücken
durchstößt, präsentierte sich links das Münster, das die weitläufige Stadt
majestätisch überragt. Häberles Frau war inzwischen eingeschlafen. Er lächelte,
als er sie im Augenwinkel auf dem Beifahrersitz
Weitere Kostenlose Bücher