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Trugschluss

Trugschluss

Titel: Trugschluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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sie selbst angehören.«
    »Du meinst«, versuchte Winnie das Gespräch
wieder zum Ausgangspunkt zurückzubringen, »dass dieser Brummton auch …« er
suchte nach den passenden Worten, »ein Phänomen ist, das nicht zu ergründen
ist?«
    »Entweder das – oder«, Jörg verfolgte den
Flug eines schwarzen Vogels vor dem Fenster, »oder wir dürfen’s nicht wissen.«
    Winnie stutzte. »Wie meinst du denn das?«
    Jörg nahm erneut einen Schluck, ehe er
antwortete: »Na ja, bei manchen Dingen ist es vielleicht besser, das Volk weiß
nicht alles. Wer will schon gern eine Massenhysterie auslösen?«

20
     
    Fünf Wochen später, am Mittwoch, 16. Oktober 2002 in Kairo.
    Die Stadt war laut und hektisch, wie immer. Der 40-jährige
schwarzhaarige Mann, der mit seiner wesentlich jüngeren Begleiterin zwischen
den wuselnden Menschen in ein Stadthotel verschwand, war froh, Lärm und
Schmutz, die allgegenwärtige Armut und den scheinbar ungeordneten
Straßenverkehr hinter sich lassen zu können. Zwar kannten sie den Orient, wo
hektische Betriebsamkeit einer unseligen Gelassenheit gegenüberstand seit
vielen Jahren. Nie aber hatten sie sich so richtig daran gewöhnen können. An
diesem Freitagnachmittag war es kühl und die Sonne stand schon tief am
Horizont. In den Straßen, das hatten sie gleich bei ihrer Ankunft bemerkt,
tummelten sich bei weitem nicht mehr so viele Touristen wie in früheren Zeiten.
Die Terror-Anschläge waren schuld daran. Und obwohl sich die ägyptische Polizei
und das Militär überall zu sehen gaben, beschlich auch den 40-jährigen ein
gewisses Gefühl der Unsicherheit. Aber das mochte rein subjektiv sein und
vielleicht gerade an der Präsenz so vieler Uniformierter liegen. Auch wenn er
orientalischem Flair keinerlei Begeisterung abgewinnen konnte, so faszinierte
ihn dieses Land stets aufs Neue. Hier, das glaubte er zu spüren, lag der
geheimnisvolle Ursprung der Welten. Jedes Mal, wenn er vor den drei Pyramiden
draußen in Gizeh stand, einstens sogar bei Vollmond, dann dachte er fast
ehrfurchtsvoll an diese verschwundene Kultur, die vor vier-, fünftausend Jahren
solche Bauwerke hervorgebracht hat. Dann stiegen in ihm Zweifel auf, ob dieser
Aufwand einzig und allein, wie es die Ägyptologen behaupteten, dazu angetan
gewesen war, einen Pharao zu bestatten. Oder ob diese gigantischen Steinhaufen,
deren Maße und Winkel unbestritten astronomische Daten beinhalten, nicht etwas
ganz anderes waren.
    Daran musste er wieder für einen Moment
denken, als er das kleine Foyer des Stadthotels betrat, in dem alle Düfte des
Orients vereint schienen. Seine Begleiterin hatte dem Dunkelhäutigen an der
Rezeption zugewunken und war voraus zu dem abenteuerlichen Aufzug gegangen, der
in der Mitte des Raumes in einer Eisenkonstruktion nach oben fuhr. Der
40-jährige bezweifelte insgeheim, dass dieser Apparat EU-Richtlinien gerecht
werden würde. Sie stiegen in die rundum verglaste, jedoch mit dicken
Metallstreben versehene Kabine, drückten einen Messingknopf und wurden langsam,
ruckelnd in das zweite Obergeschoss gehievt. Dort gingen sie durch einen dick
mit Teppichen ausgelegten Flur zu einem kleinen Besprechungsraum, dessen Tür
weit offen stand. Als sie näher kamen, trat ihnen ein breit grinsender
dunkelhäutiger Mann entgegen, knapp 60 Jahre alt, und mit einem korrekt
sitzenden Nadelstreifen-Anzug bekleidet.
    »Hallo, Mister Braunstein, hallo Mrs.
Lilienthal, willkommen am Nil«, sagte der schnauzbärtige Mann mit unverkennbar
arabischem Akzent. Er schüttelte seinen Besuchern die Hände und führte sie in
den Raum, in dem ein zweiter Araber, etwa gleich alt und ähnlich gekleidet, auf
sie wartete. Der Mann stand auf und begrüßte die beiden Gäste überschwänglich.
    »Wollen Sie etwas trinken?«, fragte der
erste.
    Braunstein verneinte. Er und seine
Begleiterin setzten sich den Gastgebern an einem ovalen Teakholztisch
gegenüber, auf dem verschiedene Akten und Dokumente lagen. An den Wänden hingen
gerahmte Papyrusbilder, in einer Ecke stand ein Fernsehgerät, das offenbar für
Videovorführungen gedacht war. Durch die dicken weißen Vorhänge fiel das Licht
des Spätnachmittags gedämpft herein. Die Fenster schienen nicht sonderlich
schallgedämmt zu sein, denn der Verkehrslärm samt dem unablässigen Hupen waren
deutlich zu hören.
    »Wir freuen uns, dass Sie es möglich
gemacht haben zu kommen«, sagte der Wortführer, »Abdul« genannt. Er und sein
Kollege Ben-Ali lächelten höflich. Nachdem sie sich nach dem

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