Trust Me - Blutiges Grauen
beendet wäre. Dann stand sie auf und ging zum Fenster, um in den briefmarkengroßen Garten im hinteren Teil ihres billigen Mietshauses hinauszusehen. Sie hasste es, hier zu leben. Die Nachbarn veranstalteten ständig Trinkgelage und stritten sich die halbe Nacht. Die Teenager lungerten auf den leeren Grundstücken herum, rauchten Joints oder randalierten in der Gegend herum. Die Schule war auch nicht das Richtige für Kate. Jane musste hier weg. Aber das schaffte sie nicht, wenn sie in dem billigen Friseursalon Haare schnitt. Sie brauchte Oliver. Sie mussten das wieder aufbauen, was sie gehabt hatten, und alles vergessen, was bisher vorgefallen war: Skye, das Gefängnis, Noah, die Wut, den Schmerz und Groll. Und die Schuldgefühle.
Plötzlich wurde ihr kalt, und sie schlang die Arme um sich. “Vergangene Woche war Skye wieder im Fernsehen”, berichtete sie Oliver.
“Ich weiß”, erwiderte er. “Mach dir keine Sorgen ihretwegen. Sie ist eine krankhafte Lügnerin.”
“Sie hat Sponsoren gewonnen, um anderen
Opfern
zu helfen.”
“Es sind hoffentlich richtige Opfer – im Gegensatz zu ihr.”
“Sie schlägt Gewinn aus dem, was sie dir angetan hat, macht damit Karriere. Sieh dir doch nur die Sympathie an, die ihr entgegenschlägt! Und wie viel Publicity sie für ihre Lügen bekommt!” Sie würde Skye am liebsten noch einen Brief schreiben. Im Laufe der Jahre hatte sie ihr ein paar geschickt und ihr klargemacht, was sie von ihr hielt. Aber Skye hatte nicht darauf geantwortet. Und jede weitere Zeile, die sie schrieb, würde wahrscheinlich auch unbeantwortet bleiben.
“Ich wette, sie heimst auch bei dieser Organisation ein saftiges Honorar ein”, sagte er.
Während Jane acht Stunden täglich anderen die Haare schnitt, nur um die Miete für diese Bruchbude aufzubringen …
“Aber es ist egal, was sie tut. Das liegt nun alles hinter uns”, betonte er.
Wenn das nur wahr werden könnte! Jane sehnte sich schmerzlich danach.
Noah kam herüber und küsste ihren Nacken. Dieses wunderbare Gefühl, das er damit bei ihr bewirkte, ließ sie Skye wieder vergessen. Sie würde nicht an die Vergangenheit denken; die Vergangenheit machte sie nur wütend. “Wir werden neu anfangen, ein neues Leben aufbauen”, sagte sie in den Hörer und wiederholte, was Oliver ihr so oft versprochen hatte.
“Genau.”
“So, wie es davor gewesen ist.”
“So, wie es davor gewesen ist”, wiederholte er.
Sie lehnte sich an Noah und genoss seine starke Gegenwart, solange sie konnte. “Das klingt großartig. Wir sehen uns dann Freitag früh.”
“Lass Kate bei meiner Mutter und bring genug Geld für ein Hotel mit. Wir haben eine Nacht allein in San Francisco verdient, meinst du nicht?”
“Ich denke auch.”
“Bist du schon aufgeregt?”, fragte Oliver.
Sie war sich nicht sicher. Sie hatte ihn mal geliebt. Würde sich dieses Gefühl wieder einstellen, wenn er nach Hause kam? Das hoffte sie – um ihretwillen und Kate zuliebe. Für alle. “Natürlich.”
4. KAPITEL
“D u kommst zu spät.”
David stand auf der Veranda des Hauses seiner Exfrau – seines alten Zuhauses – und rang sich ein freundliches Lächeln ab. “Ich freue mich auch, dich zu sehen, Lynnette.”
“Wo warst du denn?”, fragte sie. “Ich habe versucht, dich zu erreichen.”
Er hatte sein Telefon auf stumm gestellt, damit er nicht in Versuchung kam, den Hörer abzunehmen. Wenn er sich ihr Gemecker anhörte, würde er auch nicht früher da sein – in
ihrem
Haus. Er wollte sich nicht von ihr herumkommandieren lassen. “Ärger im Büro heute.”
“Da gibt es doch immer Ärger.” Sie drehte sich um und ließ die Tür offen. Nach ihrem Wutanfall zeigte sie nun gelangweilte Gleichgültigkeit. “Jeremy hat nach dir gefragt. Er hatte Angst, du würdest die Verabredung wieder einmal absagen.”
David musterte sie irritiert. “Wovon sprichst du? Ich sage fast nie ab. Höchstens, wenn der Job mal dazwischen kommt.”
“Ja, ja, und du liebst ja deinen Job.”
Als Medizinalassistentin in einem hiesigen Medizinlabor hatte Lynnette feste Arbeitszeiten – von neun bis drei, fünf Tage die Woche. Es war perfekt, da Jeremys Schulunterricht zur selben Zeit stattfand. Doch mit ihrem regelmäßigen Stundenplan konnte sie nicht verstehen, wie unvorhersehbar die Polizeiarbeit war und dass ab und zu auch Überstunden dazugehörten. “Du weißt, ich kann nicht immer um Punkt fünf gehen.” Seine Arbeit forderte ihn, aber nicht ansatzweise so sehr wie
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