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Truthahn um zwölf

Truthahn um zwölf

Titel: Truthahn um zwölf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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sagte
leichthin: »Ach, der letzte Monat ist eine scheußliche Zeit. Alles geht einem
auf die Nerven. Vielleicht hat Anne ein klein wenig zu viel Geduld. Es ist eine
Erleichterung, wenn man sich manchmal gehen läßt.«
    »Was
ich befürchte... «, begann sie, führte den Satz aber nicht zu Ende. Doch ihr
Blick wanderte zwangsläufig zu Ursula, die sich gewohnt auffällig darum
bemühte, daß sich alle bedienten — was sie viel lieber ohne Hilfe getan hätten
— und sogar unsere Kinder überredete, sich große Portionen Huhn und Vanilleeis
mit hinauszunehmen. Sie hatte wieder einmal alles in ihre Hand genommen, und
ich glaube, Mrs. Evans war davon genauso begeistert wie wir anderen.
    Aber
sie hatte recht. Anne sah wirklich müde und abgespannt aus. Sie gehörte nicht
zu den Frauen, — wenn es die überhaupt gibt — denen das letzte Stadium der
Schwangerschaft nichts ausmacht. Sie war zu schmächtig dafür. Ihr liebes rundes
Gesicht war schmal geworden, und sie sah älter aus als sechsundzwanzig Jahre.
Neben ihr wirkte Ursulas bewundernswert schlanke und graziöse Figur besonders
vorteilhaft. Mir kam der gehässige Gedanke, daß Ursula dieses unnötig elegante
Kleid nur angezogen hatte, um den Unterschied noch stärker zu betonen.
    Sie
kommandierte alle herum, und ich hörte sie zu Anne sagen: »Komm, du brauchst dich
um nichts zu kümmern. Setz’ dich hin und überlaß’ alles mir. Es macht mir
großen Spaß, so etwas habe ich noch nie erlebt.« Dann wandte sie sich
vertraulich an mich: »Schade, daß Anne darauf bestanden hat, zu kommen. Tim hat
versucht, es ihr auszureden. Er meinte, ich könne ohne weiteres ihre Rolle
übernehmen«, und in dieser Meinung wurde sie noch vom Colonel bestärkt, der
laut sagte: »Weiß nicht, was wir ohne dich täten, meine Liebe. Übernimmst doch
die Sorge für alles, nicht? Anne wird dir dafür dankbar sein.«
    Anne
hatte zugehört, und aus ihrem Gesicht konnte ich sehen, daß sie nicht unbedingt
vor Dankbarkeit überfloß, besonders als Tim besorgt sagte: »Liebling, du siehst
richtig mies aus! Willst du hier verschwinden und heimfahren?«
    Keine
Frau hört gerne, daß sie »richtig mies« aussieht, und so sagte Anne mit
schneidender Stimme: »Natürlich nicht. Ich kann doch nicht von Papas Fest
wegrennen, nach all der Arbeit, die sie sich damit gemacht haben. Es geht mir
ausgezeichnet.«
    Man
hätte meinen sollen, daß Tim sich damit zufrieden geben würde, aber weit
gefehlt. Er fuhr unbeirrt fort: »So siehst du aber nicht aus. Ich glaub’, es
ist viel besser für dich, wenn ich dich schnell heimfahre. Ich kann Ursula ja
später abholen, und es ist wirklich nicht notwendig, daß du dableibst. Sie wird
mit allem bestens fertig.«
    Annes
blaue Augen, normalerweise so sanft und fröhlich, blitzten zornig, als sie mit
mühsamer Beherrschung sagte: »Sicherlich. Aber ich bin doch ein recht
eindrucksvolles Dekorationsstück, nicht wahr?«
    Offensichtlich
drang es nun in Tims lieben, aber nicht sehr klugen Kopf, daß er etwas Falsches
gesagt hatte, denn er warf ihr einen verwirrten und unglücklichen Blick zu.
Schnell sagte ich: »Komm, Anne, wir setzen uns da in die kühle Ecke. Oder hast
du gerade was zu tun? Es ist schon lästig, wenn man Gastgeberin ist.«
    »Das
bin ich anscheinend gar nicht«, sagte Anne bissig, und Ursula, die uns zugehört
hatte, verstand endlich einmal, woher der Wind wehte. Darum sagte sie
liebenswürdig: »Setz dich in diesen bequemen Sessel hier, Anne. Da kommen alle
Leute vorbei. Ich verdränge dich nicht von deinem Platz, und sicher wollen sich
viele mit dir unterhalten.«
    Das
war plump. Aber als Anne sich in dem angebotenen Sessel niederließ, flüsterte
sie mir schuldbewußt zu: »Weißt du, sie ist schon schrecklich nett. Zumindest
versucht sie es«, und sie wandte sich einigen Farmersfrauen zu, die von der
anderen Seite von Tiri zu Teds Hochzeit gekommen waren.
    Tim
war betroffen. »Was ist los, Susan?« fragte er, als er mich einmal kurz in
einer Ecke erwischte. »Mit Anne, meine ich. Hab’ ich was Falsches gesagt? Sie
ist ganz anders als sonst.«
    Ich
sehnte mich danach, ihm kurz und deutlich zu sagen, was los war. Ich verspürte
sogar die primitive Regung, ihn bei seinen hübschen Ohren zu packen und zu
schütteln. Aber der Augenblick war nicht geeignet für Tätlichkeiten, und so
sagte ich nur: »Frauen schätzen es nicht besonders, wenn man ihnen sagt, daß
sie >richtig mies< aussehen, Tim. Versuch dir das zu merken. Das ist
Lektion

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