Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
um nicht zu sagen, gefährlich.
Evans kurzzeitige Abtrünnigkeit hatte den Prozess empfindlich in seinem Zeitablauf gestört. Und was noch schlimmer war: June gewann den Sorgerechts-Prozess haushoch. Evan konnte dem Richter nichts von den Missbrauchsvorwürfen erzählen, denn dann wäre eine Untersuchung angeordnet worden, in deren Zuge man Jordy unter Umständen von ihm getrennt hätte und das konnte er sich nicht leisten. Also schwieg er. Und verlor das Sorgerecht.
Das Kind sollte also zurück zu June, Jordy schöpfte Hoffnung und Evan war kopflos vor Angst.
June wusste immer noch nicht recht, was sie von der Sache halten sollte: Wenn Evan wirklich so davon überzeugt war, dass sein Sohn diesem Verbrechen zum Opfer gefallen war, warum wollte er dann 20 Millionen Dollar statt zum Jugendgericht zu gehen? Warum hatte er dem Richter nichts davon erzählt? Warum wollte er an die Medien, statt seinen Sohn genau davor zu schützen?
Evans Nerven lagen derweil blank. War Jordy einmal bei seiner Mutter und seinem Einfluss entzogen...und seinen Suggestionen...was würde dann passieren? Wie lange waren diese im Gehirn verankert? Die Uhr tickte. Erbarmungslos lief jede Sekunde ab und Evans Kopf war eine morbide Dunkelkammer, kein Licht, kein Ausweg. Er fürchtete sich vor dem Tag, an dem er Jordy an June geben musste...was würden ‚sie’ mit ihm, Evan, machen?
Und dann stand dieser Tag bevor. Es gab nur noch eine Nacht dazwischen. Evan wälzte sich schlaflos hin und her, bis der Morgen graute.
Der Tag, an dem Jordy zu seiner Mutter zurück sollte, war gekommen.
Schweren Herzens setzte Evan ein paar Stunden später seinen Sohn ins Auto und fuhr ihn in eine psychiatrische Klinik, in der Jordy vor Behörden ein williges, detailliertes Geständnis von Michaels sexuellen Aktivitäten mit ihm ablegte, bis hin zu einer anschaulichen, genauen Beschreibung von dessen Genitalien. Jordy erklärte, dass Michael ihm gedroht habe, er würde in ein Heim kommen, sollte er je etwas verraten.
Und so wurde Jordy nicht seiner Mutter, sondern einem Jugendbeauftragten der Polizei von Los Angeles übergeben. Jordy hatte nämlich auch ausgesagt, dass er nicht zu seiner Mutter zurück, sondern bei seinem Vater bleiben wolle. Es war der 17. August.
„Setzt den verdammten Beamtenapparat in Bewegung. Wir brauchen das Ganze bis zum 19., spätestens 20. August.”
Die Unterlagen waren am 20. August fertig und wurden an die entsprechenden Stellen weitergeleitet.
Michael war zu seiner World Tour aufgebrochen. Gerade noch rechtzeitig.
„Okay“, knurrte die Stimme. „Das ist kein wirklicher Punkt für ihn. Die Tour wird vielleicht nicht von Beginn an gecancelt, aber sie wird gecancelt, darauf kann er Gift nehmen. Er wird keinen Cent damit verdienen. Wir haben genug Munition auf Lager.”
***
Ein Sturzbach an Empfindungen prasselte auf Michael nieder, als er von Jordys Wunsch, bei Evan bleiben zu wollen, hörte. Ihm wurde schwarz vor Augen. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Panische Angst kroch in ihm hoch. Das diffuse Empfinden, etwas falsch gemacht zu haben, ohne zu wissen, was. So, wie es schon immer bei seinem Vater gewesen war. Strafe für nichts. Schläge, weil man Liebe suchte. Und einen hohen Preis zahlen zu müssen, für drei Sekunden, in denen man sich glücklich wähnte.
Michael ließ sich nicht anmerken, dass es ihm schon zu Beginn der Reise nicht gut ging. Seit dem Treffen mit Evan und Jordy hatte er die Nächte durchgeweint. Er hatte sich so sehr darauf gefreut, mit Jordy fahren zu können, Länder zu erleben, ihm die Charity-Arbeit näher zu bringen ... nun war er wieder allein. Einsamkeit umfing ihn, inmitten all seiner Berater und Angestellten und es gab niemanden, mit dem er dies hätte teilen können.
Die Zeitspanne mit Jordy hatte ihn kurzzeitig von seinen Alpträumen erlöst. Er hatte wieder einigermaßen gut schlafen können. Doch nun war alles wieder da.
Trotz der Exzentrik, die man ihm nachsagte, hatte Michael bis dato einen wunderbar sauberen Ruf. Für viele Jugendliche hatte er Vorbildfunktion, mehr als deren Eltern. Seine klaren Absagen zu Alkohol und Drogen waren glaubwürdig. Niemand hatte ihn bisher betrunken gesehen, kein Paparazzi, kein Fan, kein Bekannter. Er war religiös, glaubte an Gott, las die Bibel. Seine sexuelle Enthaltsamkeit gab Rätsel auf – aber Tatsache war, dass er weder Beziehungsskandale produzierte noch herumhurte. Seine Haut wies inzwischen im Gesicht eine einheitliche Hautfarbe auf,
Weitere Kostenlose Bücher