Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
Laufbahn als gescheiterter Schriftsteller, Journalist, Reporter, freier Autor oder Kameramann, kein Facebook, keine Querverweise, keine Vereinstätigkeiten, Zeitungseinträge, nichts. Einfach nichts. Ich erinnerte mich daran, dass der Scheck von einer der bekanntesten Boulevardzeitungen ausgestellt worden war. Er musste also für die arbeiten. Obwohl...musste er das?
Ich tippte seinen Namen und den der Zeitung ein, kam auf etliche interessante Seiten und erschrak, wie groß die Konzentration der Presse war – so viele Zeitungen und Nachrichtensender mündeten in nur wenigen Händen! Aber von Tom: Nichts. Es gab keinen Tom Cevicz. Weder hier noch sonst wo. Er hatte sich einen Namen zugelegt, der noch nicht einmal doppelt belegt zu sein schien. Als ich zwei Stunden nur wegen der Suche nach Tom im Netz verbracht hatte, begann ich, an mir zu zweifeln. Was machte ich da? Er war ein Typ, der mir unter falschen Namen ein zweifelhaftes Angebot gemacht hatte. Hatte er das mit dem ‚Nachdenken’ wirklich nur auf die Höhe des Betrages und das Angebot bezogen?
Es war an sich sinnlos bei der Redaktion nach einem Tom Cevicz zu fragen.
Ich tat es trotzdem. Es gab ihn nicht. Weder in der Redaktion noch in einer sonstigen Abteilung. Zumindest sagten sie das. Nie von ihm gehört.
Die zweite Option: der Scheck war gefälscht...dann war Tom ein noch größerer Dreckbär, wenn er damit gerechnet hätte, sich die Story geben zu lassen ohne zu bezahlen - oder... war es ihm gar nicht um die Story gegangen? Und wenn letzteres zutraf – um was ging es ihm dann? Ein Mixer war in meinem Kopf.
Warum sollte ich nachdenken? Wofür und verdammt noch mal worüber?
In der Zwischenzeit ging es im Haus hoch her. Gewichtig aussehende Männer kamen und gingen. Es wurden Konferenzen abgehalten, deren Teilnehmer den Raum mit sorgenvollen und belasteten Gesichtern verließen. Michael war zudem oft außer Haus – ebenfalls für Besprechungen. Grace lief bedrückt herum und wollte nichts sagen. Auch Linda ließ den Kopf hängen. Ich vermisste Karen – aber die ließ sich nicht blicken.
Unsicherheit machte sich breit in diesem Haus, die mich in die Flucht trieb. In die Stadt, an den Strand. Ich dachte an Michael, an Tom, an so viele Dinge und fand keine Ruhe. Ich bat Linda, mir Arbeit zu geben und da ich inzwischen ihr Vertrauen genoss, ließ sie mich das komplette untere Stockwerk saubermachen. Ich fing mit der Bibliothek an.
Die mechanische Arbeit tat mir gut. Mann, hatte dieser Mensch Bücher! Linda hatte gesagt, das wäre nur ein winziger Teil aus Neverland. Den Rest habe er eingelagert. Michael war bekannt als Leseratte, verschlang alles, sogar medizinische Fachbücher und es gab kaum ein Thema, über das er nicht hätte reden können. Systematisch arbeitete ich mich in die Mitte der riesigen Regalwand vor.
Nach drei Stunden legte ich eine Pause ein. Holte mir einen Kaffee aus der Küche, setzte mich in der Bibliothek auf das von der Sonne erwärmte Parkett, den Rücken an ein Regal gelehnt, und blickte zum Fenster hinaus. Die Bücherstapel standen um mich herum wie lebende Figuren, die mir etwas erzählen wollten.
Das war eine Kombination, die ich atemberaubend attraktiv fand: Sonne, Bücher und Kaffee. Ich schnappte mir ein Buch vom Stapel und las darin herum. Legte es weg, holte mir ein anderes. Doch heute hatte ich keinen Nerv zum Lesen. Kaum waren meine Hände untätig, zirkulierten schon wieder Gedanken in meinem Kopf. Unkonzentriert blätterte ich durch ein Buch, als ein Foto heraus fiel.
Drei Menschen blickten mir entgegen, ein hübsches Mädchen lachte in die Kamera, stand irgendwo in der Sonne, flankiert von zwei jungen Männern, alle so um die dreißig Jahre alt. Das Mädchen hielt ihren Daumen demonstrativ in die Linse. Ich drehte das Foto um. „For Michael“ stand drauf. „Love of my life.”
Weiter unten, in Englisch, mit einem anderen Stift und fliegender Schrift, als wäre es noch in Eile dazu geschrieben: „Der mich gelehrt hat, dass Liebe überall ist. Unabhängig von Ort und Zeit, Körper und Form – I’ll wait for you“.
Auf der Rückseite stand noch mehr: Zwei große FFs in der Mitte. Das war die übliche Abkürzung für Fan-Fiction. Überall waren selbstvergessene Kritzeleien, die man während langer Telefonate macht, Ornamente, Kreise, Quadrate, Blumen, Paisleymuster, dazwischen Buchstaben, die kaum entzifferbar waren. Ich drehte das Foto, hielt es etwas weiter weg, um aus der Distanz einen Überblick
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