Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
machten mir Komplimente. Sie wollten sich mit mir sehen lassen. Und sie zerrissen sich das Maul über mich.“
Michael sah mich an. Ein herrlich tiefer Blick aus wunderschönen Augen.
„Warum?“, fragte er leise.
„Ich hab es lange nicht begriffen. Ich dachte, mit mir ist etwas nicht in Ordnung. Dann dachte ich, mit den Leuten ist etwas nicht in Ordnung. Ich dachte, vielleicht sind sie neidisch, was auch oft der Fall war. Das ist ja das Trickreiche am Ego: es serviert dir immer einen plausiblen Grund. Letztlich fühlte ich mich ausgegrenzt und wie ein Sonderling. Ich hatte mich als Kind ausgegrenzt gefühlt und tat es als Erwachsener. Ich versuchte, herauszufinden, wie man sich verhalten musste, damit man beliebt ist und das ging natürlich kräftig in die Hose. Aber ich kam einfach nicht auf des Pudels Kern. Ich war freundlich, ich war lieb, ich half jedem, ich zahlte sogar für viele irgendwelche Gelder, die Leute pumpten mich an. Ich machte teure Geschenke… es half alles nichts. Man nahm mein Geld, man nutzte meinen Einfluss, meine Kontakte und man redete schlecht über mich.”
Michael schwieg und hörte gespannt zu.
„Und dann kam die Krönung“, erzählte ich. „Mein Mann und ich hatten ein kleines, mittelständisches Unternehmen aufgebaut. Nichts großes, du darfst das nicht an amerikanischen Verhältnissen messen, aber für unsere Gegend und für unser kleines Deutschland war es eine gute Leistung. Wir hatten bei Null angefangen und innerhalb von relativ kurzer Zeit unseren Betrieb in gewisse Umsatzhöhen gebracht. So konnten wir uns ein schönes Firmengebäude bauen. Es ging uns gut, das Geld floss. Und die Leute machten sich ihre Gedanken. Aber sie kamen auf keine guten Gedanken. Und irgendwann lasen wir dann in der Zeitung, wir seien Scientologen und wären von ihnen finanziert. Nun musst du wissen, dass für die Deutschen Scientology unheimlicher ist als die Mafia. Sie gilt als eine der gefährlichsten, kriminellsten und meist gehassten Sekten.“
Michael sah mich mit großen Augen an.
„Das war für unser Geschäft fast der Todesstoß“, berichtete ich weiter. „Wir bekamen kein Personal mehr, als das Gerücht die Runde machte. Niemand wollte in einem Scientology-Unternehmen arbeiten. Der Umsatz brach ein. Ich meine, wir hatten gerade das Gebäude hingestellt und finanzielle Verpflichtungen. Es war…es war einfach schrecklich. Bald wussten wir nicht, ob wir überhaupt den nächsten Tag noch finanziell überleben würden.“
„Habt ihr euch nicht dagegen wehren können?“, fragte Michael.
„Gegen ein Gerücht? Wie willst du dich gegen ein Gerücht wehren? Das weißt du selbst am besten! Man weiß nie, wer diese unseligen Nachreden in Umlauf bringt! Du kannst das nicht greifen! Jeder weiß es, jeder redet drüber, nur nicht mit dir! Wenn mich jemand persönlich angesprochen hätte...damit hätte ich umgehen können. Aber so…so war es ein Sack Federn im Wind. Natürlich haben wir vieles versucht. Wir haben sogar vom Innenministerium eine Untersuchung machen lassen, die offiziell bestätigt, dass wir keine Scientologen sind… es nützte nichts. Es genügt, wenn ein missgünstiger Mensch über einen anderen sagt, er sei vom Teufel besessen und schon hast du die Inquisition in deinem Haus.”
„Oh, mein Gott“, sagte Michael, „warum sind die Menschen nur so grausam! Warum tun sie das? Warum tun sie das nur?“
„Genau das wollte ich auch wissen“, sagte ich. „Und ich machte mich auf die Suche nach einer Antwort.“
Michael richtete sich auf, ganz Ohr: „Hast du sie gefunden?“
„Ja“, sagte ich, „durch dich.“ Und als er mich erstaunt ansah, fügte ich hinzu:
„Du hast mir die klarste Antwort gegeben. Die endgültigste! Du bist mein befreiendes Résumé, mein Endergebnis!
Zu Beginn, zuhause, war meine erste Erkenntnis: Alles, was wir im Außen suchen, ist nicht Glück. Alles, was man dir wegnehmen kann, ist nicht Glück. Man kann dir Geld, Karriere, deinen Ruf, deine Beziehung und selbst deine Kinder wegnehmen...Glück liegt noch mal woanders.“
„Bist du dir klar darüber, was du sagst?“, fragte Michael. „Kinder?“
„Ja“, sagte ich leise, „ohne jetzt ins Detail gehen zu wollen...und, bitte, Michael...nicht schwarz-weiß denken, wie so viele. Das heißt nicht , dass all diese Dinge nicht glücklich machen. Sehr sogar! Und es heißt nicht , dass man sie gegen dieses unabhängige Glück eintauschen oder darauf verzichten muss, nein, ganz bestimmt
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