Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
Bomben auf den Boden zu klatschen.
Am Ende warfen die Kinder und Grace fleißig mit und die ganze Familie lieferte sich eine aufgedrehte Wasserbombenschlacht. Das Wasser troff an ihnen herab, die Haare klebten am Kopf, alle waren patschnass und sie kugelten sich vor Lachen und Übermut auf dem Boden – allen voran Michael. Er war dermaßen ausgelassen - wie ich das nie von ihm erwartet hätte. Er krähte und jauchzte, hüpfte und tobte und steckte alle mit seiner überschäumenden Laune an. Als die Munition verschossen war, nahm Michael seinen Kleinsten auf den Arm und kitzelte ihn. Blanket quiekste dieses unwiderstehliche Babylachen und strampelte mit seinen Beinchen. Michael drückte ihn zärtlich an sich und Blanket legte seine Ärmchen um ihn. Ich konnte förmlich die weichen Kinderarme an Michaels Haut fühlen. Diese runden Babywangen, die sich in die Wärme des Halses schmiegen, dieser wunderbare Duft, der von Babys und Kleinkindern ausgeht…und Michael, das konnte man sehen, genoss das in vollen Zügen. Mit geschlossenen Augen tanzte er mit dem Kleinen sanfte Schritte auf dem Rasen. Er vermittelte das Bild einer solchen Innigkeit, eines solchen Glücks, einer so tiefen Liebe für seine Kinder, dass mir die Tränen nur so in die Augen schossen.
„Damn, so glücklich hab ich den Mann nie mehr gesehen“, sagte Chris, als er die DVD wieder aus dem Fach nahm. „Oh, diese Schweine... diese Schweine..!“
Seine Stimme hörte sich an wie ein Reibeisen und dann fügte er, was ich damals fälschlicherweise auf die Presse bezog, noch hinzu: „Wenn sie ihn doch nur endlich in Ruhe lassen wollten.“
Mit Michaels übermütigem Lachen, Chris’ mehrdeutigen Ansagen und der Erinnerung an das Telefonat ging ich zurück in mein Zimmer.
Schließlich klappte ich meinen Laptop auf und schaute auf meine abgespeicherte Liste über Reportagen und Interviews.
Zwanghaft las ich mich ein in die immer gleichen stereotypen Reportagen. Sie hatten stets den gleichen Tenor: Jackson war durchgeknallt. Er verkraftete seinen Erfolg nicht. Er käme weder mit seiner Kindheit noch mit seinem Leben noch mit der Welt zurecht. Seine Psyche – und das ließen alle Berichte durchblicken – wäre labil. Und subtil wurde zugleich vermittelt, dass sich dies zu einer gefährlichen Paranoia ausweiten könne, deren Folgen nicht abzusehen waren. Das war für mich deshalb seltsam, weil es Berichte von vor 15 Jahren waren. Noch vor jedem Prozess.
Doch selbst jetzt, nach diesen für ihn katastrophalen Erlebnissen, hatte ich kein einziges Anzeichen von Paranoia bei ihm entdecken können.
Schließlich hing ich in einer Playliste des Mega-Interviews mit Oprah Winfrey aus dem Jahre 1992 - dem ersten TV-Interview, das Michael nach 14 Jahren gegeben hatte und dessen Szenen ich oft zurück spulte, um sein Gesicht genauer betrachten zu können. Oder um manche Antworten noch einmal zu hören. Er war fast die gesamte Zeit über wachsam und beherrscht und wirkte nur bei manchen Fragen lebendig und leidenschaftlich. Wieder diese Widersprüchlichkeit:
Einerseits die Vorsicht bezüglich der Talkmasterin, andererseits wollte er sich mitteilen. Es war ein Distanzspiel. Er hoffte in diesem Interview auf Verständnis für sich, wollte seine Sicht der Dinge darstellen. Das aber ließ Oprah nicht zu. Was mir auffiel war, dass sie ihm jedes Mal konsequent ins Wort fiel, wenn er das Publikum bat, nicht das zu glauben, was in der Regenbogenpresse stand. Er setzte so oft mit diesem Thema an – jedes Mal schnitt sie ihm sofort mit einer zusammenhanglosen Frage den Satz ab.
Warum hatte sie das verhindert? Dann seine Offenbarung, dass er traurig sei. In dieser Ansage lag so stark die Bitte: So habt mich doch lieb. Die typische Antwort einer karriereorientierten Amerikanerin erwartete ihn: Aber du hattest fünf Nummer-Eins-Hits hintereinander! Warum bist du traurig? Als ob Erfolg und Ruhm Ersatz für Mitgefühl und Wärme wären. Das war der Moment, in dem er sich vollends zurückzog. Er hatte versucht, sich mitzuteilen, sie hatte ihn abgeschmettert. Was wäre passiert, wäre sie darauf eingegangen?
Michael blieb höflich – und das Interview seicht und an der Oberfläche.
Er fühlte sich unverstanden. Und nicht nur das: Er fühlte sich ungeliebt.
Erschrocken sah ich nach dem letzten Abschnitt auf die Uhr. Es war zehn Uhr Abends geworden! Ich checkte erleichtert, dass Michael noch bei den Kindern war, machte mir Kaffee, setzte mich mit meinen Büchern an die große,
Weitere Kostenlose Bücher