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Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)

Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)

Titel: Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Subina Giuletti
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zu fragen schien:
    „Wo sind die Kinder? Wo ist das Lachen? Wo die Freude? Wo ist das alles hin?
    So, wie es dort stand, wirkte es furchtbar verlassen.
    Die Sonne schien auf das Wasser, die Landschaft war lieblich und idyllisch, so wunderhübsch, aber Wehmut lag wie ein schwermütiger Duft über allem. Alles war erstarrt wie das Dornröschenschloss im Jahrhundertschlaf. Nur ein Kuss, in Liebe gegeben, und das Ganze würde zum Leben erweckt... die Luft wäre vom Lachen der Kinder erfüllt, von übermütigem Geschrei, von Liedern aus den Lautsprechern und tobenden Wasserschlachten... all das war noch hier, all das war spürbar ... und es schnürte mir die Kehle zu.
    Ich sah die Blumenuhr an der Eisenbahn, den berühmten, nun stillgelegten Bahnhof, wanderte zu dem großen See mit den drei Bronzekindern auf dem Hügel, kam an kleinen Bächen vorbei, geschmückt mit Kinderfiguren, die, sich unterhaltend, auf einer Brücke saßen, an so vielen spielenden Skulpturen in verschiedenen Motiven, die mich alle zu fragen schienen: Wo ist Michael? Wann kommt er zurück?
    Diese vielen Statuen ließen das Gelände noch lebendiger erscheinen. Das, was ich in den ersten Tagen in Michaels Haus in Los Angeles wahrgenommen hatte, war hier in reiner, verstärkter Form zu spüren: Nicht nur die Atmosphäre einer heilen Kinderwelt, sondern auch die Sehnsucht danach.
    Ich traf auf den Indianerwald, in dem halb eingefallene Tipis standen, die verkohlten Stellen der Lagerfeuer und eine riesige Bankett-Tafel unter Bäumen am See. Man konnte die Feste hören, die hier gefeiert worden waren, die Freude fühlen, das Lachen, den Jubel und die Lieder hören...oh, es war so unglaublich schön, durch dieses Zauberreich zu gehen, Michaels Geist und seinen kindlichen Sinn für Schönheit und Idylle darin zu spüren.
    Ich wanderte weiter. Neverland bestach vor allem durch seine wunderbare Natur. Von den elf Quadratkilometern Land war der kleinste Teil kultiviert und angelegt, der Rest war unbebautes, wildes Land – ein herrliches Fleckchen Erde, mit unbekannten Tälern...ein Stück Freiheit für Michael.
    Es gab soviel zu entdecken, soviel zu sehen. Am liebsten hätte ich hier eine ganze Woche verbracht.
    Nach Stunden erst gelangte ich wieder ans Haupthaus. Als ich den Schlüssel ins Schloss steckte kam ich mir vor wie ein Eindringling. Das waren Michaels Räume gewesen. Hier hatte er geschlafen, gewacht, geträumt, sich mit seinen Frauen auseinander gesetzt, seine Kinder erzogen. Das dunkle Parkett wirkte heimelig, seine Muster erzählten ihre eigene Geschichte. Das gesamte Haus war damit durchzogen. Es roch nach Sonne, Staub und Holz. Die Räume waren sehr hoch, hatten bodenlange Fenster mit vielen Terrassen, eine mit viel Keramik und Emaille verzierte, überdimensionale Küche, ein ebenso überdimensionales Wohnzimmer. Ein riesiger, goldener Kronleuchter hing wie das Herz des Hauses in der Mitte des offenen Dachgiebels. Es war alles ausgeräumt, alles leer – bereit für den nächsten Käufer.
    Ich suchte Michaels Schlafzimmer und setzte mich dort eine Weile hin. Unruhe war hier zu spüren, Nächte voller Schlaflosigkeit und Tränen. Und die Gewalt mutwilliger Zerstörung. Lange hielt ich es dort nicht aus. Hier war etwas geschehen, was die Atmosphäre des Raumes vollständig zerstört hatte.
    Doch dann fand ich den Tanzraum. Schon mit dem ersten Schritt über die Schwelle war ich überwältigt. Die Nachmittagssonne flutete auf das dunkle Parkett, der gesamte Raum, jede einzelne Paneele, jede Fuge verströmte Musik, verströmte Rhythmus, vibrierte von den Füßen, die diesem Rhythmus gefolgt waren, die ihn umgesetzt hatten in Tanz, in Dynamik, in Präzision und Harmonie, in weiche und harte Bewegungen. Ich spürte die Vergessenheit des Tänzers, die Auflösung seiner selbst in den Klängen der Musik, die Hingabe des Körpers an jede einzelne Note...ich spürte in diesem Raum so deutlich die Verbindung des Göttlichen mit der Materie, dass mir schwindlig davon wurde.
    Benommen lehnte ich mich an die Wand und glitt mit dem Rücken nach unten, bis ich Bodenkontakt hatte, die Augen geschlossen, selig in der Empfindung, die Michael nach Jahren hier noch spürbar hinterlassen hatte, dem Wissen um das Einsseins mit seinem Schöpfer, wenn er tanzte.
    Der Tag neigte sich tatsächlich dem Ende zu, als ich wieder nach draußen trat. Ich hatte in dieser Zeitspanne keine Sekunde an Tom gedacht und erschrak, als ich sah, dass die Sonne unterging. Aber er hatte

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