Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
du mir nicht glauben. Aber gehen will ich auch nicht.“
Grace wurde etwas ruhiger. Sie atmete hörbar aus.
„Du bist verheiratet?“, fragte sie dann misstrauisch. „Du trägst gar keinen Ring!“
„Mein Mann und ich haben halt keine getauscht.“
„Und du hast Kinder?“
„Ein Mädchen, ein Junge.“
„Hast du Bilder?“
„Auf dem Laptop. Willst du sie sehen?“
„J...ja.“
Obwohl wir beide wussten, dass es absolut nicht unser Ziel war, Fotos anzuschauen, saßen wir dennoch eine Minute später vor dem Bildschirm. Grace musste unwillkürlich lächeln, als sie die alten Baby – und Kinderbilder sah, die jährlichen Veränderungen meiner Lieblinge und meine wirklich glückliche Familie. Und mir wurde auch ganz anders. Ich vermisste sie. Ich zeigte Grace mein Haus, die Gegend, in der ich wohnte und es war beruhigend für sie zu sehen, wie sehr ich mich in der Erklärung der Fotos verlor und wie normal meine Umstände waren. Und wie weit weg von dem Wahnsinn, der sie hier umgab. Aber letztendlich war das trotzdem kein Grund, mir zu vertrauen.
„Und jetzt sind die Kinder schon so groß“, sagte ich und ließ eine kleine Diashow ablaufen, die ich gemacht hatte. „Schau mal, das ist mein Mann.“
„Er…er sieht sehr nett aus.“
„Das ist er auch. Ich hab totales Glück. Er ist ein Traum.”
„Warum bist du dann hier?“
„Ich wollte einfach mal raus. Mein Mann ist stark eingespannt in seinem Beruf und konnte nicht mit.“
Grace wirkte geistesabwesend, sie hatte offensichtlich andere Fragen im Kopf.
„Warum willst du mit Michael die Vergangenheit aufrollen?“, zischte sie mich dann so urplötzlich an, dass ich zurückfuhr.
„Es…es hat sich so ergeben“, stammelte ich. In einer hilflosen Regung ging ich zum Nachttisch und holte das Buch, das den Anstoß gegeben hatte.
„Das ist das Buch, über das wir geredet haben. Und das…“, hektisch schlug ich die Seiten auf, „…sind die Zeilen, über die wir in Diskussion gekommen sind.“
Grace schwieg. Aber sie nahm das Buch und senkte den Kopf, um besagte Sätze zu lesen.
„So… so fing es an, Grace. Ganz harmlos. „Und damals wusste ich gar nichts über ihn...ich kannte ein paar von Michaels Liedern…aber ich kannte nicht ihn! Und als ich das erste Gespräch mit ihm führte, wollte ich mehr über ihn erfahren, wollte wissen, warum ein Mensch, der so abgrundtief gut ist, so eine Scheiße erleben muss!“
Grace’ Augen verengten sich.
„Hast du ihm schon eine Erklärung geliefert?“, fragte sie sarkastisch.
Leise sagte ich:
„Ich...ich sagte ihm, dass es an ihm liegen muss...und dann hatten wir die Idee...sein Leben ins Verhältnis zu setzen mit diesen Weisheiten…und vorgestern hat mich Michael gebeten, sein Leben mit ihm aufzuarbeiten ...obwohl ich ihm sagte, dass das eine Nummer zu groß für mich ist...“. Ich biss mir auf die Lippen.
Grace sagte nichts mehr. Sie saß auf dem Stuhl und starrte vor sich hin. Dann zog sie einen USB - Stick aus der Tasche und steckte ihn an meinen Laptop.
„Jetzt will ich dir mal was zeigen“, sagte sie fast sanft, „hol dir ’nen Stuhl und setz dich her.“
Sie öffnete die mitgebrachte Datei. Eine Videoaufnahme lief an. Ich sah den Eingang der Bar, in der ich gestern mit Tom gewesen war. Leute gingen raus und rein.
Dann sah ich mich, wie ich mit Tom die Bar verließ. Mir stockte der Atem.
Die Kamera geht auf Zoom: Wir machen beide ernste Gesichter. Überdeutlich ist zu sehen: Tom redet sehr intensiv mit mir, legt mir die Hand auf die Schulter. Er zieht den Umschlag aus der Innentasche. Ich nicke mehrmals und nehme den Brief. Der Film endet.
„Das“, sagte Grace gleichmütig „ist die Version, die Michael zu sehen bekommt.”
Wie von der Tarantel gestochen, fuhr ich auf. Polternd fiel der Stuhl zu Boden.
„Das ist nicht wahr, das ist nicht wahr!“, schrie ich und brach in Tränen aus. „Ich hab den Scheck zerrissen – ich habe nichts genommen! Ich habe nichts genommen!“
Grace saß ruhig da und beobachtete mich.
„Keep cool, Süße“, sagte sie. Völlig außer mir sah ich wie Graces Finger erneut klickte - der Film lief weiter:
Ich zerreiße den Scheck und renne weg.
Fünf Sekunden – und eine Welt dazwischen. Völlig durcheinander starrte ich Grace an.
„Du kapierst?“, fragte sie zynisch. „Das ist das, was hier dauernd und immerzu abläuft. Du wirst wahnsinnig dabei und ich schätze, das ist das, was sie wollen.“
Nie hätte ich gedacht, mal mit
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