Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
Chirelle“, erwiderte er. Ich sagte dir ja – ich will es selbst.”
„Okay, dann...fang an!” Auffordernd blickte ich in diese fremden grauen Augen eines 60-jährigen, untersetzten Herrn und bemühte mich, ihn mit der feenhaften Gestalt Michals in Verbindung zu bringen.
„Gut...okay...“, sagte er routiniert, „wo soll ich denn beginnen?“
„Ganz vorne. Soweit du dich zurückerinnern kannst. Soweit zurück wie möglich.“
Er nahm das Weinglas in seine große Hand und lehnte sich zurück.
Mit geradezu monotoner Stimme berichtete er von den Anfängen seiner Karriere, wie er James Brown, Gene Kelly, Fred Astaire im Fernseher beobachtet hatte, welche Künstler er bewundere und wie seine Brüder und er im Mini-Wohnzimmer unter der harten Fuchtel seines Vaters geübt hatten.
Nach kurzer Zeit unterbrach ich ihn: „Mike, um das zu wissen, müssen wir uns nicht die Nacht um die Ohren schlagen. Dafür würde mir deine Biografie reichen.“
Mit großen Augen schaute er mich an.
„Ich will das andere wissen“, erklärte ich bestimmt. „Das, was du hoffentlich noch nicht vergessen hast. Ich will nicht das Image von Michael Jackson, sondern, dich, pur, verstehst du?“
Seine Maske irritierte mich sehr. Für mich war das nicht Michael, der mir da gegenübersaß - es wirkte alles furchtbar unecht und komisch. Die Maske ließ wenig Regung erkennen, aber ich meinte zu spüren, dass ihm meine Forderung gehöriges Magenflattern verursacht hatte. Er sollte mir das erzählen, was er noch nie jemanden vorher erzählt hatte? Sein Blick sprach Bände. Resigniert sackte ich zurück.
„Du hättest mich vorher filzen sollen“, sagte ich mutlos. „Aber ich schwör dir, dass ich sauber bin.“
Michael blieb stumm.
„Ich... ich kann das nicht“, stieß er dann hervor. „Chirelle, es tut mir leid...aber ich kann das nicht...! Ich habe zu lange... zu oft...ich...“
Und dann fing er an zu weinen. Wie ein Kind drückte er beide Fäuste auf die Augen und hielt den Kopf gesenkt.
„Michael, lass uns in ein Hotelzimmer gehen“, sagte ich sanft. „Kannst du die Maske abnehmen? Bitte – ich will deine Augen sehen. Hab’ keine Angst. Vielleicht ist es besser, ich stelle ein paar Fragen zu Beginn und du versuchst, zu antworten. Und wenn es zu hart für dich wird, hören wir auf.“
Der ältere Mann sah mich an. Die Tränen liefen die runzligen Wangen hinunter, er zitterte. Ich stand auf und setzte mich neben ihn. Legte den Arm um die dicke Taille, fühlte das Füllmaterial, das seine Mitte ausstaffierte.
Dann winkte ich dem Ober. Michael rief Karen an, die wohl solche Überfälle schon gewohnt war. Wir trafen sie in seiner luxuriösen Stadtwohnung, die er unter falschem Namen gekauft hatte. Es dauerte eineinhalb Stunden, bis er wieder vorzeigefähig war. Ja, und dann begann er endlich, endlich seine Geschichte zu erzählen.
Kleiner Junge
Wenn ich mich an eines erinnere – und was ich heute noch immer spüre, sagte er, dann ist es dieser Klang. Klang war überall. Musik war überall. Rhythmus war überall. Als kleiner Junge lag ich im Bett und hörte Musik, hörte es pochen. Fühlte, wie ich ein Teil davon war, wie alles lebte, alles pulsierte, alles auf die gleiche Art und Weise, in universellem Rhythmus. Ich lag gern im Bett. Im Bett war es ruhig, da konnte ich die Sterne beobachten und auch sie pochten... ich kann es nicht anders sagen... alles pochte, summte, sang und war Teil eines ewigen Lieds. Manchmal konnte ich es sehen. Ich hörte es, verlor mich darin...versank in dieser unendlichen Stille, aus der alles geboren wird. Jeder Ton, jeder Rhythmus...ich höre es noch heute...die Galaxien, die Sterne, der Mond, der Himmel, das Universum. Sie singen! Es ist ein so verbindendes Element, dieser unerschöpfliche Ton, der für mich die Quelle von allem war und ist. Das sind meine schönsten Erinnerungen. Dieses Pulsieren. Dieser Klang. Alles war Klang. Die Welt ist Klang.
Manchmal erzählte er das seiner Mutter. In seiner Babysprache versuchte er zu erklären, was er wahrnahm. Sie lachte, strich ihm übers Haar und sang ihm etwas vor, dem kleinen Jungen, der sich mit nichts besser erfreuen und beruhigen ließ, als mit einem Lied. Er liebte es, wenn seine Mutter sang. Sie sang mit etwas in der Stimme, was er tief innen verstand, etwas, was die Erde, die Menschen miteinander verband. Etwas, was er genauso in sich fühlte, dieses Hohe, dieses Füllhorn aus Freude und Glückseligkeit, dem all diese Melodien
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