Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
ein: Harte Arbeit, Disziplin.
„Egal, was passiert“, sagte Joe immer und immer wieder, „the show must go on. Das seid ihr den Zuschauern schuldig. Und wenn ihr gerade am Krepieren seid, dann schiebt es auf. Das könnt ihr nach der Show machen. Enttäuscht nie eure Fans. Das sind die wichtigsten Menschen in eurem Leben. Merkt euch das. Enttäuscht nie eure Fans.“
Nachdem kein Wettbewerb in der Gegend mehr zu gewinnen war, fuhr Joe mit seinen Kindern nach Chicago, um dort den entsprechenden Zirkel zu absolvieren.
Es war für alle eine harte, aber verbindende Zeit.
In der Woche probten sie nach dem bereits beschriebenen Muster. Am Freitag wurde das Equipment plus die Kinder in den VW-Bus gepresst und los ging es in ein Wochenende voller Aufführungen in irgendwelchen Clubs. An manchen Abenden traten sie in fünf verschiedenen Clubs auf, von einem zum anderen hetzend. Sonntags, spät in der Nacht beluden sie den Bus für die Heimfahrt, Joe setzte sich ans Steuer und fuhr die Nacht durch, während die Kinder hinten zusammengequetscht schliefen, so gut es eben ging.
Um fünf Uhr früh am Montagmorgen waren sie zurück in Gary, todmüde und erschöpft, taumelten ins Haus, umarmten ihre Mutter, fielen für drei Stunden ins Bett, bekamen ein reichhaltiges Frühstück, um danach in die Schule zu wanken und Joe auf die Arbeit zu einer harten Schichtwoche.
Clubs
Die Clubs waren eine Sache für sich. Chicago war eine Sache für sich. Es war ein anderes Pflaster als Gary und Umgebung. Lauter, betriebsamer, größer, ausschweifender. Mit seinen feinen Sinnen nahm Michael dieses völlig andere Tempo wahr.
Ihre Mitstreiter waren nun nicht mehr irgendwelche kleinen Schul- und Provinzbands, nein, diesmal kamen richtige Namen auf die Bühne. Namen, die sie teilweise schon im Fernsehen und im Radio erlebt hatten. Mit großen Augen wartete Michael begierig darauf, diese Leute auftreten zu sehen. Er wollte wissen, was sie machten, wie sie es machten, was ihre Eigenheiten waren. Er war der perfekte Analyst, stand hinter Vorhängen und an der Bühnenseite und saugte auf, was er konnte. Oft gewann er Zutritt in die Garderobe eines Stars und da verlor er seine Scheu – in einem vertrauten Gespräch fragte er sein Gegenüber ein Loch in den Bauch. Und die meisten antworteten gerne. Nicht nur waren sie geschmeichelt, sie waren auch gerührt über den Eifer dieses kleinen Kerls. Michael lernte viel in diesen Tagen. Während seine Brüder nach dem Auftritt ihren Vergnügungen nachgingen, betrieb er Star-Analysen.
Für Michael waren die Auftritte in den Clubs prägend. War er vorher schon mit der Bühne verheiratet gewesen, entwickelte er nun echte Bühnenerfahrung. Es zog ihn auf diese Bretter, dort wollte er stehen, dort wollte er dieses Gefühl des Gebens und der Verbundenheit spüren. Doch je besser er wurde, desto mehr demütigte ihn sein Vater an den Proben. Wollte er verhindern, dass sich Michael als etwas Besonderes betrachtete? Vielleicht begann Joe in diesen Tagen schon zu ahnen, dass die Band ohne den Kleinen nur halb so viel wert war. Und dass Michael diese Tatsache als Druckmittel benutzen könnte.
Jeder, der die Jackson Five erlebte, war fasziniert von den Jungs, vor allem aber von dem Sechsjährigen. „Wo hat er das nur her?“, hörte Joe immer wieder. „Wie kann ein so kleiner Kerl in einen Blues soviel Gefühl legen...als wüsste er, wovon er singt...?“, und: „Wow, wie der Kleine tanzt! Das ist göttlich!“
Immer nur Michael, Michael, Michael. Die anderen wurden zwar auch beachtet, aber wenn, dann mit einem: „Die Band ist sehr gut... die Brüder sind wirklich super...“ aber kaum einer wurde im Einzelnen genannt. Einzeln erwähnt wurde immer nur Michael.
Joe wurmte das und obwohl er auch stolz war auf seinen Kleinen, wollte er einer Entwicklung entgegenwirken, die ihrer aller Einkommen gefährden könnte.
Er schlug Michael mehr denn je für die wenigen Fehler, die er machte. Doch was er nicht bedachte war, dass er damit das gefürchtete Druckmittel früher aktivierte, als ihm lieb war. Als Joes Hand sich wieder einmal gegen Michael erhob, brüllte der Kleine ihn an:
„Wenn du mich noch einmal schlägst, trete ich nie mehr auf!“
Zwei zornige Augenpaare funkelten sich an. Wütend verharrte Joes Hand in der Luft. Michael stand vor ihm, mit wilder Entschlossenheit, sieben Jahre alt, Joe absolut ebenbürtig, was er, Mike, aber zeitlebens nie erkannte, und ebenso viel Autorität im Blick wie dieser.
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