Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
Und Joe kapitulierte.
„Mach, dass du in die Reihe kommst“, knurrte er, „ bevor ich es mir anders überlege.“ Er ließ die Hand sinken. Die Brüder sahen sich sprachlos an. Und Joe dachte bei sich: Es gibt auch andere Methoden.
***
Die Clubs waren dunkel und düster, wenn sie ankamen. Sie stanken nach Männerpisse und kaltem Rauch, die Bühnen waren schäbig und die Zimmer eine Katastrophe.
Michael vermisste seine Mom. Vermisste ihre Art, dem Zuhause in Gary Gemütlichkeit zu geben. Es gab keine Gute-Nacht-Küsse mehr. Es gab keine Streicheleinheiten, sie mussten erfolgreich werden. Mike spürte, dass auch seine Mutter das wollte. Und er wiederum wollte und brauchte ihre Liebe. Er wollte sie lachen sehen und sie lachte und lächelte immer, wenn sie nach Hause kamen und von ihren Erfolgen berichteten. Wie so viele Kinder auf dieser Welt fing Michael an zu glauben, dass, wenn er die Anforderungen und Leistungen erfüllen würde, er auch die entsprechende Liebe bekäme.
Es gab Tage, an denen er schier verzweifelte. Tage, in denen er zuhause im Bett lag, das so warm und so kuschelig war. Er träumte von Frühstück, das Katherine zubereitete, hatte den Duft von Waffeln und all den Köstlichkeiten in der Nase, die sie zauberte. Seine kleinen Hände umfassten im Traum die heiße Milchtasse, in der die Mutter einen Schuss Honig tat und Michael sah sich am Tisch sitzen, selig, den Tag vor sich. Einen Tag, den er mit Freunden und Spielen verbringen würde. Und an dem er, wann immer er wollte, zu seiner Mutter konnte. Sie war da. Er war da.
Dann der scharfe Cut: Jemand schrie ihn an, er müsse aufstehen, schnell! Sie wären spät dran! Herausgerissen aus dem warmen Bett, in den kalten Bus, eingeklemmt zwischen Verstärkern, Gitarren und den Brüdern. Keine Wärme, keine Geborgenheit nichts. Er fühlte sich verloren. Sehnsucht im Bauch nach Ruhe und Liebe.
Er fand sich wieder in einer Welt, die von Sex, Drogen, Egomanen und Alkohol geprägt war. Die Welt der Nachtclubs. Keine Mutter, die ihn abends in Bett brachte, kein Frühstück in Frieden.
Es gab Tage, da weinte er in seinem Bett und wollte nicht gehen.
„Ich will hierbleiben“, heulte er und zog die Decke über den Kopf. „Ich will bei Mom bleiben...“
Doch: Hände, die die warme Decke vom Körper rissen, ein nasser Waschlappen, der ins Gesicht klatschte, ungeduldige, harsche Befehle.
Er fing an, sich zu verstecken. Er setzte sich in Schränke, in dunkle Ecken, unters Bett, dorthin, wo alles nach Magie roch und der Geborgenheit, die er verzweifelt suchte. Nach diesem Gefühl, sicher zu sein, nicht gefunden zu werden. Er wollte nicht zu diesen Erwachsenen, die einen aus diesem Zauber immer herausrissen.
Aber immer, immer fanden sie ihn.
Wen interessierten in dieser Zeit die Emotionen eines Kindes? Er arbeitete hart. Er hatte einen 18-Stunden-Tag. Michael wurde mit fünf Jahren schon aus der Kindheit gerissen in eine Businesswelt, in der es um Geld und Macht ging. In einer Zeit, in der viele Kinder noch nicht einmal lesen und schreiben können, tanzte und sang er wie ein Profi. In einer Zeit, in der er noch sorglos in den Armen seiner Mutter hätte einschlafen sollen, wurde er brutal in die Welt des Showbiz und der erwachsenen Männer katapultiert. Der Schock war zu groß, die Abnabelung traumatisch. Sie hakte sich in seinem Inneren fest wie eine blutsaugende Zecke – als ewiges Verlustgefühl. Das Empfinden, etwas unwiderruflich verloren zu haben, manifestierte sich in massiver Weise.
Und das, was in den Clubs abging, war nicht geeignet, Michaels Ängste zu zerstreuen. Er wurde mit Dingen konfrontiert, die er schwerlich verarbeiten konnte.
Joe scheute seine Jungs nach den Shows in ihre Zimmer. Da aber die Stunden zwischen den Auftritten die einzig wirklich freie Zeit war, die sie hatten, stromerten die Geschwister in den Clubs oder Hotels herum. Michael war immer in der Nähe der Bühne zu finden, seine Brüder überall. Wo Joe war, wussten sie nicht.
Doch eines Abends beobachteten sie ihn, wie er sein Zimmer aufsuchte, zwei leichte Mädchen im Arm, die blödsinnig giggelten und obszöne Bemerkungen machten. Es war offensichtlich, was Joe vorhatte. Kurze Zeit später drang ein animalischer Mix aus Stöhnen, Gegurre und Kichern durch die dünnen Wände. Fassungslos sahen die Kinder sich an.
„Das ist jetzt nicht wahr, oder?“, fragte Jackie und sah Tito an. Der zuckte mit den Schultern. Hilflos. Was sollten sie tun? Das war die Frage, die
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