TS 02: 220 Tage im Weltraumschiff
passiert, sind sie verloren.«
»Boris Nikolajewitsch«, sagte Belopolski, »Sie haben sich meiner Meinung nach schon davon überzeugen können, daß alles, was wir an Bord haben, von bester Qualität ist.«
»Ich weiß, aber trotzdem …«
»Theoretisch besteht eine einzige Gefahr«, fuhr Belopolski fort. »Ich betone: theoretisch. Auf dem Mars kommen Sandstürme vor. Sie sind derartig heftig und erfassen eine so große Fläche, daß wir sie von der Erde aus durch unsere Fernrohre beobachten konnten. Auf der glatten Oberfläche des Mars muß es starke Winde geben, die durch die ungleichmäßige Erwärmung der Luft in den verschiedenen Teilen des Planeten hervorgerufen werden. Diese Winde wirbeln gewaltige Sandmassen auf und tragen sie mit großer Geschwindigkeit fort. Hier liegt tatsächlich eine Gefahr. Aber ich wiederhole, es ist nur theoretisch eine Gefahr. Der Geländewagen ist auch für einen solchen Fall gerüstet. Sein Motor muß damit fertig werden, und den Kurs kann man mit Hilfe des Leitsenders halten. Außerdem sind die Stürme besonders heftig in den Wüsten, die wir gesehen haben, und nicht hier. Immerhin befinden wir uns in einer tiefen Senke. Der Geländewagen wird kaum darüber hinauskommen. Machen Sie sich also keine Sorgen, unsere Freunde werden wohlbehalten zurückkehren.«Belopolski sprach mit ruhiger Stimme. Seine Argumente waren logisch und begründet, und doch ließ sich Melnikow von der scheinbaren Ruhe des Astronomen nicht täuschen. Ihm fiel auf, daß Belopolski eine Redseligkeit an den Tag legte, die ihm sonst gar nicht eigen war. Er nahm seinen Apparat, kroch durch die Luke und begab sich in sein Fotolabor.
Belopolski sah ihm mit teilnahmsvollem Blick nach. Er hatte für Melnikows Verfassung volles Verständnis. ,Ich habe ihm alle Gefahren aufgezählt, die uns bekannt sind’, dachte er. ,Aber wieviel andere kann es noch geben, von denen wir nichts wissen!’
Seufzend wandte er sich der Funkstation zu. Das rote Lämpchen brannte nach wie vor gleichmäßig und beruhigend. Sein dünner Strahl verkündete stumm, daß im Geländewagen alles in Ordnung war.
Die Stunde verging, und zwischen dem Geländewagen und dem Raumschiff fand wiederum ein kurzes Gespräch statt. Es gab nichts Neues. Der Wagen fuhr immer noch durch das gleiche Gelände.
Für Melnikow und Belopolski zog sich dieser Morgen unendlich in die Länge. Die Sonne näherte sich auf ihrer Bahn allmählich dem Zenit. Das draußen angebrachte Thermometer zeigte fünfzehn Grad Wärme.
Dem Stand der Sonne nach war es etwa elf Uhr »Ortszeit«, wie Belopolski sich ausdrückte, als Kamow mitteilte, sie hätten bereits hundert Kilometer zurückgelegt.
»Der Motor arbeitet ausgezeichnet«, sagte er. »Wir fahren noch etwa fünfzig Kilometer und biegen dann nach Süden ab.«
Nach diesem Gespräch waren zwei Stunden vergangen.
Der Zeitpunkt der nächsten Meldung war herangerückt, aber der Lautsprecher schwieg. Der Uhrzeiger hatte schon längst die vereinbarte Zeit überschritten, das Kontrollämpchen zeigte nach wie vor an, daß die Funkstelle des Geländewagens funktionierte, und das leise Knistern im Lautsprecher bezeugte, daß auch die Funkstation des Raumschiffes in Ordnung war; aber es kam kein Anruf.
Belopolski schaltete entschlossen das Mikrofon ein.
»Warum melden Sie sich nicht?« sprach er laut. »Antworten Sie … Antworten Sie!« Er wartete und wiederholte die Worte. Melnikow lauschte mit angehaltenem Atem.
»Dem Wagen kann nichts passiert sein«, sagte Belopolski, wobei er sich die redlichste Mühe gab, ruhig zu sprechen. »Die Station ist in Betrieb. Vielleicht sind sie ausgestiegen.«
»Beide?«
Diese Frage ließ Belopolski zusammenzucken. Kamow hatte gesagt, sie würden den Geländewagen unter keinen Umständen gleichzeitig verlassen. Einer von ihnen mußte also im Wagen geblieben sein. Warum antworteten sie nicht?
»Sergej Alexandrowitsch! … Arsen Georgijewitsch! … Warum schweigen Sie? … Warum schweigen Sie …? Antworten Sie! … Antworten Sie!«
Keine Antwort.
Im Observatorium trat beklommenes Schweigen ein.
Melnikow und Belopolski suchten ihre Unruhe voreinander zu verbergen, ließen aber kein Auge von dem roten Pünktchen der Kontroll-Lampe. Beide fürchteten, das Lämpchen könnte plötzlich erlöschen. Das kaum hörbare Knistern im Lautsprecher kam ihnen so laut vor, daß sie es immer wieder für das langerwartete Knacken des eingeschalteten Mikrofons hielten. Aber Minute um Minute verging,
Weitere Kostenlose Bücher