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TS 04: Das endlose Schweigen

TS 04: Das endlose Schweigen

Titel: TS 04: Das endlose Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilson Tucker
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von dem verbeulten Kofferraum des Taxis. Dann glitt er mit steigender Geschwindigkeit an seinem vorherigen Wagen vorbei und ließ eine vollkommen verdatterte Frau darin zurück. Im Rückspiegel konnte er erkennen, daß sie ausgestiegen war und heftig mit den Armen hinter ihm herwinkte.
    Er gab Vollgas, aber mehr als 70 km machte der alte Karren nicht mehr.
    Bald gab er es auf, und in fast gemütlichem Tempo fuhr er weiter nach Osten.
     
    *       *
    *
     
    Das unerträglich helle Pfeifen eines Flugzeugs im Sturzflug erregte seine Aufmerksamkeit. Unwillkürlich hielt er an, sprang aus dem Wagen und suchte im Graben Deckung, ehe er nach dem Flugzeug Ausschau hielt. Er atmete auf, als er sah, daß es weit hinter ihm auf den Highway herabstieß, dann wieder aufstieg, eine Kurve beschrieb und erneut herabstieß.
    Dabei vernahm Gary deutlich das knatternde Geräusch eines Maschinengewehrs.
    Der Taxifahrer würde sich freuen, wenn er seinen Wagen wiederbekam.
    In aller Ruhe kletterte Gary wieder in den alten Ford und fuhr weiter nach Osten. Dort war die einzige Richtung, in der er Sicherheit finden würde.
    Hoffentlich bemerkte ihn die Flugzeugbesatzung nicht.
    Kein Zweifel: In Shreveport war seine vorübergehende Anwesenheit bereits entdeckt worden.
     
    *       *
    *
     
    Dunkel und breit lag der Fluß vor ihm.
    Mit einem leisen Flüstern eilte das Wasser träge nach Süden. Es war kein eigentliches Geräusch, aber Schweigen war es auch nicht. Ein lautes Schweigen – genau wie das Land jenseits des Flusses, zu dem er nun zurückgekehrt war.
    Reglos lag er in dem hohen Gras. Mit scharfen Augen durchforschte er die Nacht nach dem noch dunkleren Schatten eines Postens. Sie mußten wissen, daß er sich irgendwo zwischen dem zerschossenen Taxi und dem Fluß befinden würde, sie würden sogar wissen, wohin er flüchten wollte, aber sie sprachen ihm das Recht ab, nach dorthin zurückzukehren, von wo er gekommen war.
    Ganz still lag er da. Er haßte sich selbst und die Welt. Er haßte den Fluß und das lange, laute Schweigen.
    Es blieb ihm nun keine andere Wahl, wollte er weiterleben. Er haßte also auch diese Wahl, die Entscheidung, von der sein Leben abhing. Sicher, er konnte jetzt aufspringen und seine Fäuste drohend gegen Westen recken – eine Sekunde später wäre er tot.
    Er konnte auch zurück gehen in die lebendigen Städte des Westens – und was dann?
    Der Fluß war die Grenze zwischen einer zerrissenen Nation, zwischen der Armut und dem Reichtum, zwischen Tod und Leben. Im einen Land gab es Essen, Trinken, Schokolade, Radio, Benzin, Neonlicht, Geld, Kino, Frauen – eben alles. Im andern Land dagegen gab es nur das nackte Leben, mehr nicht.
    Der schwarze Schatten eines Soldaten schlenderte nicht weit von ihm entfernt vorbei.
    Gary hielt den Atem an und wartete. Als er bis hundert gezählt hatte, kroch er auf Händen und Füßen dem Flußufer zu. Das Gras verschwand und machte Sand und Felsen Platz. Ein Stein lockerte sich und rollte die Böschung hinab. Gary erstarrte in seinen Bewegungen. Als nichts geschah, kroch er weiter, bis seine Hände das kalte Wasser berührten. Er zögerte einen Augenblick, dann ließ er seinen nackten Körper hineingleiten und schwamm in ruhigen, gleichmäßigen Stößen der Mitte des Stromes zu, weg von dem Westufer, weg von der Zivilisation.
    In der Mitte des Mississippi waren einige kleine Inseln. Sie wollte er erreichen, um eine kleine Pause einzulegen, ehe er sich in das große Schweigen der andern Seite gleiten ließ.
    Seine Schwimmstöße wurden kräftiger, je weiter er sich vom Ufer entfernte.
    In ihm brannte noch immer der Haß, diesmal auf seine verflüchtigte Hoffnung, auf sein jahrelanges Planen, das sich als vergeblich erwiesen hatte.
    Sicher, er hatte den Fluß überquert, aber er hatte nicht das gefunden, was er zu finden hoffte.
    Er war grenzenlos enttäuscht.
    Für einen Augenblick wünschte er, er hätte die Seuche dort drüben verbreiten können, blitzartig und tödlich. Er hätte die Weststaaten am liebsten genauso gesehen wie den unglücklicheren Osten, damit sie ihn verstanden hätten.
    Und weiter schwamm er, nachdem er sich auf dem winzigen Eiland ausgeruht hatte. So lange, bis er Sand unter den Füßen fühlte. Langsam stieg er aus dem Wasser, bis er das Ufer erreicht hatte. Dann erst wandte er sich, hob seine zur Faust geballten Hände und schüttelte sie drohend gen Westen.
    „Ihr verfluchten Hunde!“ grollte er und meinte das Schicksal.
    Dann

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