TS 16: Einer von Dreihundert
sind kein Schwindel, wie Sie befürchtet haben. Sie sind das, was sie sein sollten – nur eine Chance, eine andere Welt zu erreichen …“
8. Kapitel
Wir stellten sehr bald fest, daß wir bei weitem zu viel Zeit hatten. Ich dachte mir möglichst viele Jobs für uns zehn aus, aber es war immer noch lange nicht genug zu tun.
Eine Aufgabe bestand darin, die hydroponische Pflanzung zu pflegen, die uns sowohl Nahrung als auch Frischluft spendete. Ich übertrug Harry Phillips die Leitung. Harrys Assistentin war Leslie; sie oder Harry waren ständig in der Anpflanzung beschäftigt. Damit waren zwei Leute untergebracht.
Auch die Wasserreinigungsanlage brauchte Wartung. Sie lieferte unser gesamtes Wasser und nahm es auch wieder auf. Betty und Morgan hatten die Maschine zu bedienen. Es war keine große Arbeit, schien ihnen aber Freude zu machen.
Miß Wallace war unsere Chefköchin, und die kleine Bessie half ihr. Bessie war ein reizendes, fröhliches Kind. Ich habe niemals bereut, sie gewählt zu haben.
Jim Stowe saß gern im Kontrollraum und spielte Raumschiffpilot. Also machte ich ihn zu unserem Wachtposten. Wir brauchten zwar keinen, aber es machte ihm Spaß, und er war beschäftigt.
John Stowe, Sammy und ich halfen, wo es nötig war, und suchten nach weiteren Beschäftigungen für die anderen.
Wir blieben bei der Erdzeit und machten abwechselnd zwölf Stunden Tag und zwölf Stunden Nacht.
Am dritten Tag ergaben sich zwei Probleme. Obwohl die hydroponische Anpflanzung das überschüssige Kohlendioxyd in der Atmosphäre verarbeitete, wurde es heiß und stickig. Betty hatte Temperatur, Morgan Schnupfen und wir anderen fast alle Kopfschmerzen und brennende Augen.
Ich war im Kontrollraum und erklärte Jim etwas, als Miß Wallace hereinkam.
„Laß uns bitte allein, Jim“, sagte sie, „ich möchte mit Leutnant Easson sprechen.“
Jim ging zögernd. Miß Wallace sah mich erbost an. Ihre Wangen glühten.
„Leutnant Easson“, sagte sie steif, „es muß etwas mit Smith und Miß Glessor geschehen. Sie sind …“
„Was sind sie, Miß Wallace?“ fragte ich.
Sie errötete noch mehr, „öffentlich!“ sagte sie heftig. „Vor zwei Kindern!“
Ich zwang sie nicht, mir zu sagen, was Betty und Morgan getan hatten.
„Warum eigentlich nicht?“ fragte ich ruhig.
„Weil sie nicht verheiratet sind!“ rief sie aus, als ob das alles erklärte.
Ich sagte nachdenklich: „Als Kommandant des Schiffes könnte ich sie wahrscheinlich trauen. Aber wir haben die alte Welt verlassen, Miß Wallace, und ich glaube, diese Dinge werden jetzt eine ganze Weile überhaupt keine Rolle mehr spielen.“
„Anstand und Moral spielen immer eine Rolle“, erklärte sie entrüstet.
„Gewiß. Aber ich glaube, daß dieser Fall mit Anstand und Moral überhaupt nichts zu tun hat. Betty und Morgan lieben sich, und unter normalen Umständen wären sie verheiratet. Es hätte aber keinen Sinn gehabt zu heiraten, solange sie nicht wußten, ob sie mit uns fuhren, und danach war es zu spät. Jedenfalls …“
Ich wollte gern, daß sie mich verstand. Was Miß Wallace einsah, würden auch alle anderen einsehen. Sie war nicht engstirnig, nur streng und korrekt.
„Sie glauben doch wohl nicht an die Verdammung unehelicher Kinder?“ fragte ich.
„Nein, natürlich nicht, aber das ist hier nicht die Frage.“
„Nein? Aber wir brauchen möglichst viele Kinder. Offen gesagt, in der neuen Kolonie wird es so wenig Menschen geben, daß wir als allererstes für eine große, gesunde zweite Generation sorgen müssen.“
„Leutnant Easson“, sagte Miß Wallace erregt, „wollen Sie damit sagen, daß wir die Ehe ganz und gar abschaffen sollten?“
„Nein“, sagte ich nachdenklich, „aber ich glaube nicht, daß wir auf ihr bestehen können. Ich denke, es wird eine Art inoffizielle Eheschließung geben. Die Menschen werden zusammen leben und sagen, sie seien verheiratet. Und selbst wenn sie es nicht tun, wenn Frauen ohne Ehemänner Kinder bekommen, werden wir wohl nichts dagegen einzuwenden haben.“
Offensichtlich hatte sie nicht darüber nachgedacht. Sie stand neuen Ideen nicht ablehnend gegenüber. Sie war einfach noch nicht auf den Gedanken gekommen, daß unter den radikal veränderten Verhältnissen neue Lebensformen die alten ersetzen mußten.
„Vielleicht haben Sie recht“, gab sie zu, „ich werde darüber nachdenken.“
Später redete ich mit Betty und Morgan. Sie waren verlegen, weil sie so viel Aufsehen erregt hatten, aber
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