TS 18: Der strahlende Phönix
daß Sie mitkommen. Sehen Sie, Waterville, warum tun Sie das? Sie hatten eine ,A’-Lizenz, Sie hatten das Mädchen gern. Nun, was ist schon dabei? Es gibt so viele Frauen.“
„Ich habe Ihnen doch alles erzählt.“
„Aber Sie kannten sie kaum.“
„Das macht keinen Unterschied.“
„Ich verstehe Sie nicht. Sie haben sich in diese Sache hineingesteigert, das ist es, und jetzt quälen Sie sich damit herum. Sie haben mir nie ihren Namen gesagt.“
„Das ändert nichts.“
„Es könnte sein, daß Sie sie nicht mehr finden, und wenn Sie sie finden, so würde das auch nicht viel helfen.“
„Ich weiß. Aber ich muß gehen.“
*
Am nächsten Tag stand ich genauso früh wie Anna auf. Es war ein dunkler Morgen mit hartem Frost. Ich klopfte an Blacklers Tür und hörte ihn fluchen.
Wir frühstückten und wärmten uns am offenen Feuer. Dann hüllten wir uns in unsere Umhänge und gingen hinaus.
Wir eilten über den Platz. Als wir den Lastwagen erreichten, standen zwei Gestalten neben ihm. Eine davon war der Fahrer, die andere glaubte ich in ihrer Vierschrötigkeit zu kennen. Im Licht einer Laterne sah ich, daß es George war.
Ich war überrascht, als ich feststellte, daß mich jene Affengestalt mit dem breiten, stupiden Gesicht und den abstehenden Ohren ein wenig freute. George hielt die Laterne hoch, und ich konnte seine schmalen Augen sehen, die mich verwirrt anschauten. „Mr. Waterville“, grunzte er, „das ist gut. Ich hörte davon, daß Sie kommen würden.“ Er grüßte mich in seiner langsamen Art, und plötzlich wußte ich, daß er mich gern hatte. Mir wurde warm ums Herz. „Mr. Blackler, Sir“, sagte er, „sind Sie fertig?“ Blackler nickte ungeduldig, und George wandte sich an den rekonditionierten Fahrer, der neben ihm stand. „Los, nimm deine Beine in die Hand und mach das Auto startbereit!“
Wir kletterten in den Lastwagen, George nach hinten, Blackler und ich setzten uns neben den Fahrer. Als wir das Lager verließen, drehte ich mich um. „George“, fragte ich, „was machen Sie denn hier?“
„Ich weiß nicht. Sie sagten doch, die Insel sei ein guter Platz, erinnern Sie sich?“
„Und Bessy?“ fragte ich.
„Sie kommt mit mir, ich lasse sie nicht allein hier zurück.“
Blackler sprach ruhig: „Die beiden verstehen gut mit den Rekonditionierten umzugehen. Diese ständig sich vermehrenden Ausbrüche! – da dachte ich, wir würden klug daran tun, George und Bessy mitzunehmen.“ Dann erklärte mir mein Freund: „Dieser Schub Rekonditionierte ist der letzte. Und – ich erzählte Ihnen gestern abend nicht davon, Sie waren in so schlechter Stimmung – Schultz hat gesagt, wann wir aufbrechen. Anfang März!“
Für den Rest der Fahrt beschäftigte ich mich nur mit dieser Nachricht.
Endlich angekommen, stiegen wir mit steifen Gliedern aus dem Auto. Wir trennten uns, und ich fand mich schließlich auf der Straße, in meiner gewöhnlichen Staatskleidung mit dem Kolonistenumhang darüber. Die Straßen waren fast leer, denn die Arbeitszeit hatte begonnen. Ein oder zwei Passanten starrten mich interessiert an, und ein Moralbeamter kam auf mich zu und kontrollierte meine Papiere. „Sie starten im März, höre ich“, sagte er. Seine Augen blickten voll Neugier, und er befühlte meinen Umhang mit den Fingern. „Das ist ein großer Tag für den Menschengeist. Sie müssen stolz sein!“
Ich sagte „ja“, aber meine Augen blickten suchend die Straße entlang, und meine Gedanken waren bei Jenny. Er verließ mich zögernd und grüßte. Fünfzehn Minuten entfernt lag das Restaurant, in dem Jenny arbeitete. Ich sehnte mich nach ihr.
Ich betrat den Raum, wo ich sie getroffen hatte und hoffte, sie noch dort zu finden. Wir hatten einen Tag vor uns.
Aber Jenny war nicht da. Ich setzte mich an einen Tisch, und ich dachte, sie zu überraschen. Sie kam nicht, obgleich ich nie die Windfangtür aus den Augen ließ. Dann sagte ich mir, daß sie sicher in der Küche arbeiten würde, und so fragte ich eine Bedienungsbeamtin. Sie war neu hier und hatte mich vorher noch nie gesehen. Sie riß ihre Augen vor Neugierde auf. Nein, sie wußte nichts. So stand ich auf – meine Knie zitterten – und ging ins Büro, wo ich Jennys Freundin, die Chefbeamtin, fand. Ich brauchte nicht erst zu fragen, denn als sie mich sah, runzelte sie die Stirn und drehte nervös ihre Hände. Eines Tages, bald nachdem man mich zum Lager abkommandiert hatte, war Jenny nicht erschienen. Die Chefbeamtin hatte Angst
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