TS 18: Der strahlende Phönix
auf der Bank am Fluß, wo ich jene Nacht auf Jenny gewartet hatte. Ich setzte mich. Gedanken kamen und gingen. Schließlidi sagte ich mir, daß Jenny mich sofort vergessen und sich einen anderen Mann genommen hatte. Natürlich, warum sollte sie auch nicht? Sie wußte, daß sie mich nie wiedersehen würde und daß sie ihr eigenes Leben leben mußte. Ich fühlte mich trostlos einsam.
Ich ging zur Wärterin und Maggie zurück.
Maggie war ein charmantes Mädchen mit viel Erfahrung.
Als ich den Hof erreichte, stand dort der Lastwagen unter einer Bogenlampe. Blackler war da und der junge Doktor Hobson, der sich Blacklers Lagerstab anschließen mußte. George und Bessy standen ebenfalls dort. Sie schoben Rekonditionierte auf den Lastwagen. Eine der Rekonditionierten, die warteten, war Jenny. Sie hatte ausdruckslose Augen wie alle anderen. Ihre Augen waren ausdruckslos, wiederhole ich, und sie erkannten mich nicht. Ich stieg in den Lastwagen, und wir fuhren ab. Es gab nichts, das ich hätte tun können. Nichts.
X
Von der Zeit, die uns bis zu unserem Aufbruch blieb, ist nicht viel zu berichten. Das ist gut, denn ich möchte nicht noch einmal jene Wochen durchleben. Ich erzählte Blackler von Jenny, und alles, was er tun konnte, war, mir Tabletten zu geben, wenn ich nicht schlafen konnte. Er machte mir keine Hoffnung, daß Jenny jemals wieder normal werden würde. Es gab keinen Eingriff, der den Rekonditionierungsprozeß hätte rückgängig machen können. Ich fragte ihn nach den seltsamen Ausbrüchen, die die Rekonditionierten manchmal hatten. Führten sie vielleicht wieder zum normalen Zustand? Er sagte, daß er es nicht wüßte: Rekonditionierte, die ausbrechen, wurden immer vom Rekonditionierungszentrum selbst behandelt, aber ihm war es bekannt, daß sie diese Behandlung selten überstanden. Wie würde er mit solchen Menschen auf der Insel verfahren? Ihnen Drogen geben? Psychiatrische Methoden anwenden? Er wollte sein Bestes tun, wenn das mit Jenny passieren sollte. „Wollte sogar einen operativen Eingriff vornehmen, obwohl dieser immer die Gefahr des Irrsinns mit einschloß. Eines konnte er mir noch versichern: sie würde nicht meinetwegen leiden. Die Vergangenheit existierte nicht mehr für sie. Er war mit mir traurig, wie es ein Freund zu sein pflegt, aber ich wußte, daß er mich trotzdem nicht völlig verstand. Das war eine Sache, mit der ich allein fertig werden mußte. So behielt ich mein Leid und die Sorge um Jenny für mich. Sie war für gewöhnliche Arbeit eingeteilt, und ich wollte versuchen, ihr Hausarbeit zu verschaffen. Aber Blackler riet mir ab, mich einzumischen. Rekonditionierte waren eben Rekonditionierte. „Tun Sie es nicht“, warnte Blackler. „Schultz, Hero und Jacobson würden sagen, daß dieses Mädchen Sie von Ihren zu erfüllenden Aufgaben ablenkt, und sie würde wahrscheinlich als ungeeignet zurückgeschickt werden. So, wie die Dinge aber jetzt liegen, können Sie sie wenigstens im Auge behalten.“
Ich mußte also vorsichtig sein.
Ich entschloß mich, zu George zu gehen. Es war seltsam, daß ich mich einem Moralbeamten anvertrauen wollte, aber ich schätzte George anders ein.
Ich fand George und Bessy in einem kleinen Raum einer Hütte. Sie hatten beide dienstfrei und lagen auf ihren Pritschen.
George bot mir als Sitz eine leere Kiste am Ofen an.
Ich erzählte ihnen alles – ganz offen und vorbehaltlos.
George hob seinen Kopf und blickte mich an. „Aber sie ist doch eine Rekonditionierte“, sagte er.
„George“, antwortete ich, „ich verlange nicht, daß Sie mich verstehen. Ich möchte Sie beide nur bitten, daß Sie Jenny das Leben ein wenig erleichtern, wenn Sie die Möglichkeit dazu haben.“
Bessy sprang erregt auf.
„Wie wäre es, wenn man mich rekonditionierte, George?“
Plötzlich wurden seine Augen hart wie Glas. „Besser nicht“, erwiderte er, und seine großen Hände ballten sich zusammen. „Besser nicht!“
„Sie haben Mr. Watervilles Mädchen rekonditioniert.“
„Sie hätten es nicht tun sollen“, sagte er wütend. „Diese Rekonditionierten – man sollte ihnen so etwas nicht antun! Nicht wahr, Mr. Waterville?“
„Nein, George. Aber vielleicht bin ich moralisch nicht ganz gesund, weil ich so denke.“
Er betrachtete mein Gesicht für einige Augenblicke, dann sagte er endlich: „Sie sind in Ordnung!“
Es war dunkel, als ich George und Bessy verließ.
Ich erreichte meine Hütte, wo Blackler am Feuer saß-. Er war gerade hereingekommen
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