TS 22: Terminus, der letzte Planet
schon los?“
„Ich weiß nicht. Ich kann das erst sagen, wenn ich weiß, was Verisof zu sagen hat. Wir müssen uns also noch etwas gedulden.“
2.
Man schreibt Salvor Hardin eine ganze Anzahl prägnanter Aussprüche zu – von denen zweifellos eine ganze Menge anderen Quellen entstammen. Aber jedenfalls berichtet man, daß er bei einer gewissen Gelegenheit einmal sagte:
„Man soll besonders dann offen sein, wenn man als verschlagen bekannt ist.“
Poly Verisof hatte mehr als einmal Gelegenheit gehabt, nach diesem Motto zu handeln, denn seine Doppelrolle auf Anacreon dauerte nun schon vierzehn Jahre – eine Doppelrolle, die ihn oft an einen Tanz erinnerte, den man barfuß auf glühenden Kohlen tanzt.
Für die Leute auf Anacreon war er Hohepriester und Vertreter der Stiftung, die für diese „Barbaren“ der Gipfel der Geheimnisse und der natürliche Mittelpunkt der neuen Religion war, die sie – mit Hardins Hilfe – in den letzten drei Jahrzehnten sich gegeben hatten. Als solcher empfing er Ehrungen, die ihn ermüdeten; denn im Inneren verachtete er das Ritual, dessen Mittelpunkt er geworden war.
Aber für den König von Anacreon – für den alten, der schon gestorben war und seinen Enkel, der jetzt auf dem Thron saß – war er einfach der Gesandte einer Macht, die man zugleich fürchtete und begehrte.
Alles zusammengenommen, war es kein schönes Amt, und seine erste Reise zur Stiftung, die er seit drei Jahrzehnten machte, war für ihn wie eine Urlaubsreise, trotz des Anlasses, der sie nötig gemacht hatte.
Und da diese Reise nicht die erste war, die er geheim durchführen mußte, machte er von Hardins Ausspruch über die Offenheit Gebrauch.
Er zog Zivilkleidung an – das war allein schon ein freudiges Ereignis – und bestieg einen Passagierclipper nachTerminus, natürlich zweiter Klasse. Dort angekommen, wühlte er sich durch die Menschenmengen am Raumhafen und rief von einem öffentlichen Sichtsprecher das Rathaus an.
Er sagte: „Mein Name ist Jan Smit. Ich habe heute nachmittag eine Unterredung mit dem Bürgermeister.“
Die junge Dame am anderen Ende sprach ein paar kurze Worte an einem anderen Apparat und kam dann zurück. „Herr Bürgermeister Hardin wird Sie in einer halben Stunde erwarten, mein Herr“, und dann wurde der Schirm wieder dunkel.
Daraufhin kaufte sich der Gesandte die letzte Ausgabe der Terminus City Nachrichten und schlenderte gemächlich durch den Stadtpark. Am Ende einer halben Stunde meldete er sich im Vorzimmer Hardins.
Während alledem blieb er völlig unerkannt, denn niemand schöpfte Verdacht, da alles, was er tat, so offensichtlich war.
Hardin blickte auf und grinste: „Zigarre? Wie war denn die Reise?“
Verisof bediente sich: „Interessant. Im nächsten Abteil war ein Priester, der auch hierher reiste, um einen Sonderkurs in der Zubereitung radioaktiver Synthesestoffe mitzumachen – Sie wissen ja, für die Krebsbehandlung –“
„Aber er hat doch sicherlich nicht von radioaktiver Synthese gesprochen?“
„Natürlich nicht. Für ihn war es ,Heilige Speise’.“
Der Bürgermeister lächelte. „Fahren Sie fort.“
„Er verwickelte mich in eine theologische Diskussion und versuchte sein Bestes, um mich von meinem selbstsüchtigen Materialismus zu bekehren.“
„Und hat seinen eigenen Hohepriester nicht erkannt?“
„Ohne meine rote Robe? Außerdem war es ein Smyrnier. Aber für mich war die Unterhaltung jedenfalls sehr interessant. Es ist in der Tat bemerkenswert, wie die Religion der Wissenschaft Fuß gefaßt hat. Ich habe einen Aufsatz darüber geschrieben – natürlich nur für mich selbst! Wenn man das Problem von der soziologischen Seite aus ansieht, dann gewinnt es den Anschein, als hätte die Wissenschaft als solche auf den äußeren Welten versagt, als das Imperium abzubröckeln begann. Um trotzdem dort wieder Aufnahme zu finden, mußte sie in anderem Gewand wieder auftauchen – und genau das hat sie getan. Wenn man das Logik-Kalkül zu Hilfe nimmt, stimmt alles ganz genau.“
„Interessant!“ Der Bürgermeister verschränkte beide Hände hinter seinem Kopf und lehnte sich zurück. „Aber jetzt erzählen Sie mir etwas von der Lage auf Anacreon.“
Der Gesandte runzelte die Stirn. „Nun, sie ist ziemlich schlecht“, erklärte er.
„Sonst wären Sie nicht hier.“
„Kaum. Die Lage ist die: der wichtigste Mann in Anacreon ist der Prinzregent Wienis. Er ist der Onkel König Lepolds.“
„Ich weiß. Aber Lepold wird
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