TS 22: Terminus, der letzte Planet
begann.
8.
In Wienis’ Gemächern war absolute Ruhe, als Lefkins Bild auf dem Sichtschirm erschien. Nur der Regent hatte erschüttert aufgestöhnt, als er das blutende und zerschlagene Gesicht seines Sohnes und seine zerfetzte Uniform sah.
Hardin hörte unbewegt zu, die Hände über einem Knie verschränkt, während der gerade gekrönte König Lepold in der dunkelsten Ecke saß und aufgeregt an seinen Fingern zerrte. Selbst die Soldaten, die bisher keine Erregung gezeigt hatten, blickten nun ängstlich auf das Bild auf der Scheibe des Sichtsprechers.
Lefkin sprach zögernd und mit einer müden Stimme, die immer wieder innehielt, als würde er gezwungen zu reden:
„Die Anacreontische Marine … ist sich der Natur ihrer Mission bewußt … und weigert sich … an diesem furchtbaren Sakrileg teilzuhaben … Wir kehren nach Anacreon zurück … und stellen den verbrecherischen Sündern … die es wagen, gegen die Stiftung … gegen diese Quelle des Heils … und gegen den Galaktischen Geist … Gewalt anzuwenden … folgendes Ultimatum … Hört sofort den Krieg gegen den wahren Glauben auf … und garantiert der Marine … die jetzt unter dem Kommando des Chefpriesters Theo Aporat steht … daß dieser Krieg auch in Zukunft nicht wieder aufgenommen wird … und daß der ehemalige Prinzregent Wienis … gefangengenommen … und wegen seiner Verbrechen … abgeurteilt wird … Sonst wird die königliche Marine … bei ihrer Rückkehr … den Palast zu Asche zerstrahlen … und alle Maßnahmen ergreifen … die nötig sind, um das Sündennest zu zerstören.“
Die Stimme schwieg, und der Schirm wurde wieder dunkel.
Hardins Finger strichen schnell über seine Atomtaschenlampe. Ihr Licht erlosch, und jetzt sah man zum ersten Mal, daß Hardin von einer Aura umgeben war.
Es war nicht das strahlende Licht, wie Könige es trugen, sondern ein unscheinbareres und doch wesentlich wirkungsvolleres Leuchten.
Hardins Stimme klang leicht ironisch, als er Wienis ansprach, der ihn vor einer Stunde als Kriegsgefangenen bezeichnet hatte und der gesagt hatte, Terminus stehe kurz vor der Vernichtung. Jetzt saß er schweigend vor ihm.
„Es gibt eine alte Fabel“, sagte Hardin. „Sie ist vielleicht ebenso alt wie die Menschheit selbst. Diese Fabel interessiert Sie vielleicht:
Das Pferd, dessen mächtiger Feind ein Wolf war, der sein Leben dauernd bedrohte, suchte in seiner Verzweiflung einen starken Verbündeten. Es ging zum Menschen und bot ihm ein Bündnis an, wobei es darauf hinwies, daß der Wolf ja auch ein Feind des Menschen sei. Der Mensch nahm das Bündnis an und erbot sich, den Wolf zu töten. Sein neuer Bundesgenosse solle aber dadurch seinen Teil des Bündnisses erfüllen, indem es seine größere Geschwindigkeit in den Dienst des Menschen stelle. Das Pferd wollte das gerne tun und ließ sich vom Menschen Sattel und Zaumzeug anlegen. Der Mann stieg in den Sattel, jagte den Wolf und tötete ihn.
Das Pferd freute sich, dankte dem Menschen und sagte: ,Nun, da unser gemeinsamer Feind tot ist, nimm’ den Sattel und das Zaumzeug wieder ab und gib mir meine Freiheit wieder.’
Darauf lachte der Mensch laut und antwortete: ,Das werde ich nicht tun – hü-hott’, und gab dem Pferd die Sporen.“
Schweigen. Der Schatten, der Wienis war, rührte sich nicht.
Hardin fuhr leise fort. „Ich hoffe, daß Sie die Analogie sehen. In Ihrem Bestreben, die totale Gewalt über ihre Völker zu erhalten, nahmen die Könige der Vier Königreiche die Religion der Wissenschaft an, die sie zu Göttern machte, und diese Religion der Wissenschaft war ihr Sattel und ihr Zaumzeug; denn sie gab das Wissen um die Atomkraft in die Hände der Priesterschaft – die unter unserem Befehl stand, wie ich hinzufügen möchte, und nicht unter ihren. Ihr habt den Wolf getötet, wurdet aber den Menschen nicht mehr los.“
Wienis sprang auf. Seine Augen leuchteten im Halbdunkel gespenstisch. „Dich kriege ich noch! Du entkommst mir nicht. Sollen sie alles dem Erdboden gleichmachen. Sollen sie alles zerstrahlen. Aber dich nehme ich mit!
Soldaten!“ schrie er hysterisch, „schießt diesen Teufel nieder. Zerstrahlt ihn! Zerstrahlt ihn!“
Hardin wandte sich in seinem Stuhl um und lächelte. Einer der Soldaten hob seinen Atomstrahler, schoß aber nicht, sondern senkte ihn unentschlossen wieder. Die anderen rührten sich nicht von der Stelle. Salvor Hardin, Bürgermeister von Terminus, der Mann, vor dem alle Macht Anacreons zu Staub zerfallen
Weitere Kostenlose Bücher