TS 22: Terminus, der letzte Planet
war, das war zuviel für sie.
Wienis fluchte und stürzte zu dem ihm am nächsten stehenden Soldaten. Er riß ihm den Strahler aus der Hand und zielte auf Hardin, der sich nicht von der Stelle bewegte.
Der fahle Strahl traf auf das Kraftfeld, das den Bürgermeister von Terminus umgab und wurde neutralisiert. Wienis drückte noch kräftiger und lachte schrill.
Hardin lächelte immer noch, und seine Kraftfeld-Aura veränderte kaum die Farbe, während sie die Energie des Atomstrahls absorbierte. In der Ecke bedeckte Lepold seine Augen und stöhnte.
Wienis schrie verzweifelt auf, riß den Strahler herum und drückte noch einmal ab – und stürzte mit zerstrahltem Kopf zu Boden.
Hardin zuckte die Schultern und murmelte: „Ein Mann der ,direkten Handlung’ bis zum Ende.“
9.
Die Zeitgruft war überfüllt. Es waren weit mehr Leute hier, als der Raum fassen konnte.
Hardin verglich in Gedanken diese Menschenmenge mit den wenigen, die beim ersten Erscheinen Hari Seldons vor dreißig Jahren anwesend gewesenwaren. Damals waren es nur sechs gewesen, die fünf alten Enzyklopädisten – die jetzt schon alle tot waren – und er selbst, der junge Mann, der sich Bürgermeister nennen durfte.
Jetzt war es ganz anders, in jeder Beziehung. Jedes Ratsmitglied erwartete Seldons Erscheinen. Er selbst war immer noch Bürgermeister, aber er hatte jetzt alle Macht, und, seit der NiederschlagungAnacreons, auch die Liebe des Volkes. Als er von Anacreon heimgekehrt war und von Wienis’ Tod berichtet hatte und den mit dem zitternden Lepold abgeschlossenen Vertrag vorlegte, wurde er mit einem einstimmigen Vertrauensvotum begrüßt. Als dem in kurzer Folge ähnliche Verträge mit den drei anderen Königreichen folgten – Verträge, die die Stiftung in Zukunft vor ähnlichen Angriffen wie dem Anacreons vollkommen sicherten – wurden auf jeder Straße von Terminus Fackelzüge abgehalten, und nicht einmal der Name Hari Seldons war lauter gefeiert worden als der seine.
Hardins Lippen zuckten. Genauso hatte man ihn nach der ersten Krise gefeiert.
Auf der anderen Seite das Raumes waren Sef Sermak und Lewis Bort in eine lebhafte Unterhaltung verwickelt, und wenn die Vorgänge der letzten Zeit anders gewesen waren, als sie es angenommen hatten, so schien sie das nicht im geringsten zu stören. Sie hatten sich dem Vertrauensvotum angeschlossen und Reden gehalten, in denen sie öffentlich erklärten, daß sie sich geirrt hätten. Dann hatten sie sich für ihre Fehler entschuldigt – und sofort einen neuen aktionistischen Feldzug begonnen.
Yohan Lee zupfte Hardin am Ärmel und deutete auf seine Uhr.
Hardin sah auf. „Hallo, Lee! Immer noch verärgert? Was ist denn jetzt los?“
„Er soll doch in fünf Minuten kommen, oder nicht?“
„Ich denke schon. Letztes Mal kam er genau um Mittag.“
„Und wenn er diesmal nicht kommt?“
„Willst du mich mein ganzes Leben lang mit deinen Ängsten verrückt machen? Wenn er nicht kommt, dann kommt er eben nicht.“
Lee runzelte die Stirn und schüttelte bedächtig den Kopf. „Wenn das schiefgeht, sitzen wir wieder in der Tinte. Wenn Seldon uns jetzt nicht unterstützt, fängt Sermak von vorne an. Er möchte, daß wir die vier Königreiche einfach annektieren und daß die Stiftung sich ausbreitet – notfalls mit Gewalt. Er hat seine Kampagne schon begonnen.“
„Ich weiß, ein Feuerfresser muß Feuer fressen, selbst wenn er es selbst schüren muß. Und du, Lee, mußt dir Sorgen machen, selbst wenn du dich selbst umbringen mußt, nur um etwas zu haben, worüber du dich sorgen kannst.“
Lee wollte gerade Antwort geben – da wurden die Lichter gelb und schwach. Er hob den Arm, um auf den Glaswürfel zu deuten, der den halben Raum beherrschte und ließ sich dann mit einem Seufzer der Erleichterung in einen Stuhl fallen.
Hardin streckte sich, als er die Gestalt sah, die jetzt den Würfel erfüllte – eine Gestalt in einem Rollstuhl! Er allein von all denen, die hier anwesend waren, konnte sich an den Tag vor drei Jahrzehnten erinnern, als diese Gestalt zum ersten Mal erschienen war. Damals war er jung gewesen und die Gestalt alt. Seit damals aber war die Gestalt keinen Tag gealtert, er selbst aber seitdem ergraut.
Die Gestalt starrte vor sich hin, und ihre Hände glitten über ein Buch, das sie im Schoß liegen hatte.
Sie sagte: „Ich bin Hari Seldon.“ Die Stimme war alt und weich.
Im Raum herrschte atemlose Stille, und Seldon fuhr im Gesprächston fort: „Das ist das zweite
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