TS 22: Terminus, der letzte Planet
verleiten.
Der Thron bewegte sich. Völlig geräuschlos erhob er sich und schwebte. Er verließ das Podest, schwebte langsam die Stufen hinab und glitt dann sechs Zoll über dem Boden langsam auf das riesige, offene Fenster zu.
Beim Schlag der tiefen Glocke, die Mitternacht anzeigte, hielt er vor dem Fenster an – und die Aura des Königs erstarb.
Den Bruchteil einer Sekunde lang saß der König unbeweglich da. Sein Gesicht war von der Überraschung verzerrt. Die Aura war verschwunden, und sein Antlitz war nur mehr das eines Menschen. Dann schwankte der Thron, fiel die sechs Zoll bis zum Boden und schlug dort donnernd auf. Im gleichen Augenblick verloschen alle Lichter im Palast.
Durch das Geschrei und die Verwirrung, die sich erhoben, tönte Wienis’ Stimme: „Holt die Fackeln! Holt die Fackeln!“
Er drängte sich rücksichtslos durch die Menge und arbeitete sich bis zur Tür durch. Von außen waren die Palastwächter in den verdunkelten Saal hereingeströmt.
Und dann kamen die Fackeln in den Ballsaal, die Fackeln, die nach der Krönung in der gigantischen Lichterprozession durch die Straßen der Stadt hätten Verwendung finden sollen.
Die Wächter schwärmten mit den Fackeln wieder in den Ballsaal zurück – und das blaue, grüne und rote Licht tauchte die verwirrten Gesichter in gespenstische Farben.
„Es ist nichts passiert“, schrie Wienis. „Alles stehenbleiben! Wir haben gleich wieder Licht.“
Er wandte sich an den Hauptmann der Wache, der neben ihm stand. „Was ist los, Hauptmann?“
„Hoheit“, kam sofort die Antwort, „der Palast ist von Leuten aus der Stadt umgeben.“
„Was wollen sie?“
„Ein Priester führt sie. Es ist der Hohepriester Poly Verisof. Er verlangt, daß Bürgermeister Salvor Hardin unverzüglich freigelassen wird und der Krieg gegen die Stiftung sofort aufhört.“ Die Augen des Offiziers straften seine ausdruckslose Stimme Lügen und irrten ruhelos im Saal umher.
Wienis schrie: „Wenn einer von dem Gesindel versucht, den Palast zu betreten, dann zerstrahlt ihn zu Asche. Sonst nichts. Laßt sie nur heulen. Morgen werden wir abrechnen.“
Die Fackeln waren inzwischen verteilt worden, und im Ballsaal war es wieder hell. Wienis eilte zum Thron, der jetzt beim Fenster stand, und zerrte den jungen Lepold, der ihn ängstlich anblickte, mit sich.
„Komm mit mir.“ Er blickte zum Fenster hinaus. Die Stadt war pechschwarz. Von unten kamen die heiseren, verwirrten Rufe derVolksmenge, nur rechts, wo der Argolid-Tempel stand, war es hell. Er fluchte und zog den König mit sich.
Wienis stürzte in sein Zimmer, die fünf Posten hinter ihm drein. Lepold folgte mit großen, runden Augen, aus denen der Schrecken immer noch nicht gewichen war.
„Hardin“, sagte Wienis heiser, „Sie spielen mit Gewalten, die für Sie zu groß sind.“
Der Bürgermeister nahm von ihm gar keine Notiz. Er blieb ruhig in dem schwachen Licht der Atomtaschenlampe sitzen und lächelte ironisch.
„Guten Morgen, Eure Majestät“, sagte er zu Lepold, „ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Krönung.“
„Hardin“, schrie Wienis wieder, „rufen Sie die Priester an ihre Arbeit zurück.“
Hardin sah kühl auf. „Befehlen Sie es ihnen doch selbst, Wienis, und dann sagen Sie mir, wer mit Gewalten spielt, die zu groß für ihn sind. Im Augenblick dreht sich auf ganz Anacreon kein Rad. Es brennt kein Licht, außer in den Tempeln. Auf der Winterseite des Planeten gibt es kein Fünkchen Wärme mehr – außer in den Tempeln. Die Krankenhäuser nehmen keine Patienten mehr an, und die Kraftwerke haben ihre Tätigkeit eingestellt. Alle Schiffe liegen still. Wenn Ihnen das nicht gefällt, Wienis, dann können Sie den Priestern befehlen, sie sollen ihre Arbeit wieder aufnehmen; ich habe keine Lust dazu.“
„Beim ewigen Weltraum, Hardin, das werde ich tun. Wenn Sie es auf eine Machtprobe ankommen lassen wollen, dann können Sie sie haben. Wir werden sehen, ob Ihre Priester gegen mein Militär aufkommen können. Ich werde noch heute nacht jeden Tempel auf dem ganzen Planeten unter militärische Aufsicht stellen.“
„Sehr gut. Aber wie wollen Sie die nötigen Befehle erteilen? Jede Verbindung auf diesem Planeten ist abgeschnitten. Sie werden feststellen, daß der Funkverkehr abgeschnitten ist und die Ultrawelle ebenso. Ja, der, einzige Apparat auf diesem Planeten, der noch funktioniert – abgesehen von den Tempeln natürlich – ist der Sichtsprecher in diesem Raum, und den habe ich nur auf Empfang
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