TS 32: Stunde der Roboter
technischen Defekt erklärte.
Grollend wandte sich Russ von dem Visiphonschirm ab, über den er das Gespräch geführt hatte. „Glatter Schwindel“, knurrte er. „Niemand kann mir erzählen, daß es eine Panne war.“
„Mir erst recht nicht“, sagte Harry Lietz sarkastisch. „Ich würde meine Beschwerde an einer anderen Stelle anbringen. Sie haben doch alle Vollmachten, denke ich.“
Russ antwortete nicht. Er blickte sich um, sah aber weder Dave Talbert noch Terry. Norma entdeckte einen Auflauf auf der Straße unter ihnen, und sie eilten hinab. Sie drängten sich durch die Neugierigen und starrten auf die drei Toten, die eben abtransportiert wurden. Keiner von ihnen hatte Ähnlichkeit mit Talbert oder Terry.
Russ war mehr durch Terrys Verschwinden beunruhigt als durch das Fehlen Talberts. Der Papierkrieg, der der Bewilligung zu Terrys Einstellung vorausging, hatte monatelang gedauert, und Russ verspürte nicht die geringste Lust, noch einmal von vorn zu beginnen. Außerdem hatte er sich an Terry gewöhnt und wollte keinen anderen Roboter. Wo mochte Terry stecken? Hatte Dave ihn um seine Begleitung gebeten? Dann wäre es Terrys Pflicht gewesen, Sinclaires Erlaubnis einzuholen.
Auch Harry Lietz hatte das Verschwinden der beiden bemerkt. „Was nun?“ fragte er. „Ich dachte, wir wollten zusammenbleiben? Es ist fast ein Uhr.“
„Ich brauche mich nur umzudrehen, und schon ist etwas Neues passiert“, brummte Sinclaire. „Wie soll ich da mit meiner Aufgabe fertig werden! Ich werde veranlassen, daß Dave und Terry durch die Polizei gesucht werden, außerdem habe ich in meinem Büro hinterlassen, wo wir zu finden sind. Jedenfalls denke ich nicht daran, die Überprüfung Ihres Betriebes aufzugeben, und wenn ich die ganze Arbeit mit Miss Cummings allein machen soll.“
Sie bestiegen ein neues Lufttaxi, und Russ bückte sich, um ein Flugblatt aufzuheben, das am Boden lag. Er glättete es und starrte verblüfft auf die dicke Überschrift:
WANN WERDEN SIE ENDLICH FREI SEIN?
Darunter hieß es: ,Artikel 13 unserer Verfassung sagt: Weder Sklaverei noch Zwangsarbeit werden in den Vereinigten Staaten geduldet …’’
Trotz dieser Zusicherung gibt es sowohl Sklaverei als auch Zwangsarbeit in unserem Lande. Die Tatsache, daß gewisse schwer arbeitende, sich unablässig in Bewegung befindende, keine Ruhepause kennende, uns Menschen trotzdem treu ergebene Wesen die Bezeichnung ,Roboter’ führen, ändert nichts an der moralischen Verwerflichkeit dieses Zustandes. Wir fragen: Soll unseren metallenen Freunden ewig die Freiheit vorenthalten bleiben? Vielen von ihnen hat man häßliche, unästhetische Körper gegeben, um ihren wahren Wert zu verschleiern; auch das ist ein Verbrechen in unseren Augen.
Nach den letzten Unterlagen beläuft sich die Zahl dieser Roboter oder Sklaven (man nenne sie, wie man wolle) auf zwölf und eine halbe Million. Die genaue Aufstellung sieht folgendermaßen aus:
1. Roboter in der Armee 2.3 Millionen
2. Roboter in der Industrie 5.8 Millionen
3. Roboter in Beamtenstellungen 1.2 Millionen
4. Roboter in der Polizei 1.3 Millionen
5. Roboter in privaten Büros 1.8 Millionen
Insgesamt: 12.4 Millionen
Diese Zahlen sind den offiziell zugänglichen Statistiken entnommen. Die wirkliche Anzahl tätiger Roboter dürfte wesentlich höher liegen. Wir haben Beweise, daß sich unzählige Roboter in Privatbesitz befinden. Ihre Behandlung spottet jeder Beschreibung. Und immer noch wächst die Zahl dieser unglücklichen Geschöpfe. Sie alle können ihnen helfen. Die Möglichkeit dazu gibt Ihnen die Mitgliedschaft bei dem unterzeichneten Verband, wobei es Ihnen freigestellt ist, ob Sie die aktive Mitgliedschaft erwerben oder Ihren guten Willen durch regelmäßige Spenden beweisen wollen.
INTERNATIONALES BEFREIUNGSKOMITEE
ZWEIGSTELLE NEW YORK
NEW MANHATTAN KOMPLEX ZWEI
ABTEILUNG 491, Zimmer 2074
Kopfschüttelnd ließ Sinclaire das Blatt sinken. Norma und Harry Lietz, die ihm über die Schulter geblickt hatten, starrten ihn fragend an.
„Noch eine Gruppe, die sich für Roboter interessiert“, sagte Russ mit einem Versuch zu scherzen. „Sie will ihnen angeblich helfen und versucht, Geld dabei herauszuschinden.“
„Was ihnen anscheinend gelingt“, schaltete Norma sich ein. „Büroräume in Manhattan sind für normale Sterbliche unbezahlbar.“ Normas Feststellung war weder Russ noch Harry Lietz neu. Die Bevölkerung New Yorks war im Jahre 1997 auf zwanzig Millionen angestiegen. Schon
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