TS 32: Stunde der Roboter
hundert Jahre früher war Manhattan übervölkert gewesen, und wer ein neues Gebäude errichten wollte, mußte ein altes niederreißen. Die Bodenpreise waren ins Unermeßliche gestiegen, Manhattan war und blieb das Zentrum, in dem sich die reichen Industriegesellschaften zusammenballten. Jene riesigen Bauten – Komplexe genannt – waren eine Folge dieses Zuges zum Zentrum. Große Gesellschaften hatten den Luftraum über der Stadt erworben und riesige Gebäude in der Form auf der Spitze stehender Pyramiden errichtet, die sich bis in eine Höbe von fünftausend Fuß erstreckten. Energieschirme sorgten für die Stabilität dieser Gebäude, in großen Fahrstuhlschächten wirkende Kraftfelder übernahmen den reibungslosen Verkehr zwischen den einzelnen Stockwerken der vielhundertgeschossigen Bauten.
Russ Sinclaire zerknüllte das Flugblatt und ließ es zu Boden fallen. „Ich nehme an, Sie haben schon mehr dieser Pamphlete gesehen, stimmt’s?“ wandte er sich an Harry Lietz.
Lietz nickte unbeeindruckt. „Ein Verein harmloser Irrer! Phantasten, Leute, die auf dem Mond leben! Die Roboter befreien! Welch Unsinn! Wir bauen Roboter, um den Menschen die Schmutzarbeit abzunehmen, und die da wollen sie befreien. Kann ein Mensch so dumm sein? Der Begriff Freiheit wird zu einer Absurdität, wenn man ihn auf Maschinen anwendet.“ Ein listiges Lächeln zeigte sich auf Lietz’ Lippen. „Sie sind doch so wild darauf, alles Mögliche zu untersuchen, Sinclaire. Warum nicht die Machenschaften dieses komischen Befreiungskomitees? Sie geben doch zu, etwas mit den Robotern vorzuhaben.“
„Ich weiß seit Jahren von diesem Komitee“, gab Sinclaire zu. „Ich habe mich nie darum gekümmert, weil Roboter nicht mein Gebiet sind. Warum haben Sie, der für Roboter Verantwortliche, sich nicht dafür interessiert, wer und was dahintersteckt?“
Lietz zog die Oberlippe empor. Er sah aus wie ein Hund, der zuschnappen wollte. „Ich habe nicht geschlafen, Sinclaire. Ich weiß alles über diese Gesellschaft – auch, wer an ihrer Spitze steht. Ein harmloser Verein, ich sage es Ihnen noch einmal. Propaganda, nichts als Propaganda. Sie halten Versammlungen ab und diskutieren, sie erlassen Aufrufe und reden sich die Köpfe heiß, sie setzen sich bei Tee und Kuchen zusammen und träumen mit offenen Augen. Niemand nimmt sie ernst.“
„Ich würde mir trotzdem diese Angriffe auf Ihre kostbaren Roboter nicht gefallen lassen, Harry“, sagte Sinclaire.
„Ich kann nichts gegen sie unternehmen“, behauptete Lietz. „Sie sind vorsichtig genug, um mit dem Gesetz nicht in Konflikt zu kommen.“
„Ausrede“, knurrte Russ. „Sie hätten genug Handhaben. Flugblätter dürfen in Lufttaxis nicht verteilt werden. Man könnte nachforschen, ob die Spenden ordnungsgemäß versteuert werden. Das Komitee kann wegen Verleumdung verklagt werden, wenn sich herausstellt, daß die von der Regierung angegebenen Zahlen doch stimmen. Die Frage ist nur – stimmen sie?“
„Ich selbst liefere sie der Regierung“, knurrte Harry bissig. „Wirklich, Sinclaire, Sie gehen zu weit!“
„Glauben Sie? Was heißt dann diese Frage nach den unzähligen Robotern, die sich in Privathand befinden und nicht in den Angaben der Regierung auftauchen? Wollen Sie im Ernst behaupten, das stimme nicht?“
Harry Lietz wand sich in seinem Sitz. „Ich weiß es nicht. Sie sind verrückt, sage ich Ihnen. Vielleicht meinen sie Roboter vom Typ Terrys. Erinnern Sie sich, was es gekostet hat, Ihnen Terry zuzuschanzen? War das etwa korrekt? Terry war als Büroangestellter vorgesehen, statt dessen avanciert er zu Ihrem Privatsekretär. Sollen wir solche Fälle untersuchen?“
„Wir reden nicht von mir. Ich habe die offizielle Genehmigung für einen Privatsekretär.“
Norma Cummings, die dem Rededuell schweigend gefolgt war, schaltete sich ein. „Was soll das alles? Ehrlich gestanden, Mr. Lietz, auch ich habe den Eindruck, daß Sie diese Sache bagatellisieren wollen. Logisch wäre es, daß Sie sich für diese komische Gesellschaft interessierten, die Ihnen ein Dorn im Auge sein müßte. Es sei denn …“
„Es sei denn, daß Sie sich keinen Angriff auf das Komitee leisten können“, beendete Sinclaire den Satz. „Es ist ein Abstecher von fünf Minuten zum Sitz des Komitees. Nun, Harry?“
Lietz hob die Schultern. Er schien an dem Punkt angelangt zu sein, wo ihm alles gleichgültig war. „Untersuchen Sie, was Sie wollen, Russ. Sie haben ja einen ganzen Tag Zeit. Überprüfen
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