TS 33: Projekt Mikrokosmos
Monaten.“
Warren Alton zeigte ein ungläubiges Lächeln. „Wem wollen Sie das erzählen, Doktor?“ fragte er spöttisch. „Ich erinnere mich an Steiners Versuch mit der Metallstange. Die Quintessenz seines Vortrages und der damit verbundenen Demonstration besagte, daß es unmöglich sei, körperlich in das Universum einzudringen. Und nun wollen Sie behaupten, Williams habe längere Zeit auf einem Planeten des Mikrokosmos verbracht? Für wie leichtgläubig halten Sie uns eigentlich?“
„Zugegeben, zwei Feststellungen, die sich zu widersprechen scheinen und doch zutreffen. Niemand kann körperlich in das Universum eindringen, wohl aber im übertragenen Sinne. Kommen Sie mit ins Hauptgebäude, damit ich Ihnen die Sache erklären kann.“
Minuten später standen sie wieder auf der Galerie und blickten in die von Menschen geschaffene Welt hinab. Enderby deutete auf die am Geländer angebrachten Teleskope. „Wir verdanken die Möglichkeit, in die Rolle der Bewohner jener Planeten schlüpfen zu können, streng genommen einem Unfall“, begann er seine Erklärung. „Vor etwa zwei Monaten fand Rendell seinen Dienstvorgänger, es war Weidekind, bewußtlos vor einem der Teleskope liegen, als er ihn ablösen wollte. Weidekind wollte nicht wieder zu sich kommen, so daß Rendell mich rufen ließ. Ich habe ein paar Semester Medizin studiert und brachte alles Notwendige mit, um Weidekind wieder zu Bewußtsein zu bringen. Er erzählte uns dann eine seltsame Geschichte. Er sei damit beschäftigt gewesen, einen Planeten zu beobachten, auf dem wir intelligentes Leben vermuteten. Um möglichst scharfe Aufnahmen zu bekommen, hatte Weidekind die höchste Stufe des Verzögerungsprozesses eingeschaltet. Während der Scharfeinstellung, die seine ganze Konzentration erforderte, habe er sich plötzlich seltsam leicht gefühlt, wie in einem hypnotischen Trancezustand. Langsam hätten sich seine Sinne verwirrt, ihm sei gewesen, als stritten zwei verschiedene Wesen in ihm. Dann sei ein Augenblick völliger Erinnerungslosigkeit eingetreten, und als die Dinge um ihn wieder Gestalt anzunehmen begannen, habe er sich in den Straßen einer fremden Stadt unter einem völlig fremden Himmel wiedergefunden. Um es kurz zu machen – es stellte sich heraus, daß Weidekind wohl infolge der Konzentration, mit der er durch das Teleskop blickte, eine Verwandlung durchgemacht hatte und ohne seinen Willen Gestalt und Wesen eines Bewohners jener von ihm beobachteten Stadt angenommen hatte. Er sah und hörte, was um ihn vorging, er verstand die fremde Sprache, die gesprochen wurde, er lebte für die Dauer eines Jahres das Leben des Wesens, das über ihn Gewalt gewonnen hatte. Dieses Jahr – ein Jahr in der Planetenzeit – endete mit dem Augenblick, als es mir gelang, Weidekind wieder ins Bewußtsein zurückzubringen. Er erinnerte sich an jede Einzelheit dieses Ausfluges in eine andere Welt und schrieb mit erstaunlicher Präzision seine Erlebnisse nieder. Wir kamen zu dem Schluß, daß diese Verwandlung durch eine Folge natürlicher Schwingungen erfolgte, die für die Erscheinungen um Thunderhook verantwortlich waren. Was lag näher, als aus diesem Zufallsergebnis praktischen Nutzen zu ziehen! Wir stellten uns der Reihe nach für Versuche zur Verfügung, und auch uns gelang jene Verwandlung, sobald unsere Konzentration, unterstützt durch den Blick auf den auserwählten Planeten, ihren höchsten Grad erreicht hatte. Wir kamen bald dahinter, daß jede Verwandlung erhebliche Ansprüche an die körperliche und geistige Widerstandskraft stellte, so daß sie sich ohne Schaden höchstens jeden zweiten oder dritten Tag durchführen ließ. Um zu verhindern, daß das Wesen, in dessen Hülle wir schlüpften, Unheil anrichtete, wurde der für die Verwandlung Ausersehene in dem kleinen Anbau, wo Sie Williams entdeckten, auf dem Lager festgebunden. Um die Verwandlung noch schneller zu erreichen, gaben wir Beruhigungsmittel und wandten auch Hypnose an. Nach der Rückverwandlung gilt es, sofort die Niederschrift des Erlebten anzufertigen, da die Erinnerung schnell schwindet, ähnlich wie bei einem Traum, an den wir uns umso schwerer erinnern, je mehr Zeit seit dem Erwachen verflossen ist.
Von unseren ersten tastenden Versuchen auf diesem Gebiet bis zu einem festen Arbeitsplan war nur noch ein kleiner Schritt. Zumeist sind es Williams und Hyatt, die jene Reise in eine andere Welt unternehmen, aber auch Weidekind und Rendell stellen sich regelmäßig zur Verfügung. Wir
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