TS 35: Die Waffenhändler von Isher
604
Venus - 141 053 811
Monde - 42 863 971
Die einzelnen Zahlen wechselten, noch während er sie las. Menschen wurden geboren und starben, flogen zum Mars oder zur Venus, zu den Monden des Jupiter oder zum Endmond. Andere kamen dafür zurück, landeten stündlich, ja minütlich auf einem der vielen Raumhäfen der Erde. Das Leben ging seinen Gang – und hier stand er seinem statistischen Abbild gegenüber.
„Stellen Sie sich lieber an“, sagte eine freundliche Stimme neben Fara. „Es dauert seine Zeit, bis man mit seinem Fall drankommt.“
Fara starrte den Mann verständnislos an. „Anstellen?“ wiederholte er. „Fall? Was für ein Fall?“
Der andere, ein junger Mann von vielleicht Fünfunddreißig, schaute ihn neugierig an. „Sie müssen doch wissen, weshalb Sie hier sind“, sagte er. „Bestimmt hätte man Sie doch nicht hierhergeschickt, wenn Sie nicht ein Problem quälen würde, das der Gerichtshof der Waffenhändler für Sie lösen könnte. Was hätten Sie sonst hier vor der Informationszentrale zu suchen?“
Fara war jetzt Teil der langen Schlange, die sich in weitem Bogen um das Gebäude herumzog und weiter vorn in einem großen Tor verschwand.
Ein Problem, dachte er. Natürlich hatte er ein Problem.
Vor Fara erstreckte sich ein breiter hellerleuchteter Gang, an dessen hinterem Ende er Dutzende von Schreibtischen erblickte, an denen junge Frauen saßen und Männer interviewten. Vor einem der Tische blieb er stehen. Die junge Frau dahinter lächelte ihn freundlich an und fragte nach seinem Namen.
Er beantwortete ihre Frage und gab auch seinen Wohnort an.
„Danke. Es wird ein paar Minuten dauern, bis Ihre Akte hier ist. Nehmen Sie doch inzwischen Platz.“
Er hatte den Stuhl gar nicht bemerkt. Dankbar ließ er sich daraufsinken, und sein Herz schlug dabei so wild, daß er zu ersticken glaubte. Er vermochte kaum einen klaren Gedanken zu fassen, so sehr erregte ihn die Hoffnung, daß er vielleicht doch noch Hilfe finden könnte. Er versuchte zu sprechen, doch bevor es ihm gelang, ein verständliches Wort zu formen, hörte er ein Klicken, und eine dünne schwarze Metallplatte fiel auf den Tisch. Die junge Fraunahm sie und studierte sie eingehend. Nach einem Augenblick sagte sie etwas in ein Mikrophon, und kurz darauf klapperten noch zwei Platten auf den Tisch. Auch diese betrachtete sie erst gewissenhaft, bevor sie aufblickte und sagte:
„Es wird Sie interessieren, daß sich Ihr Sohn Cayle auf dem Mars befindet.“
„Wie?“ fragte Fara und erhob sich halb von seinem Stuhl, aber bevor er noch etwas hinzufügen konnte, fuhr die junge Frau schon fort:
„Ich muß Ihnen allerdings mitteilen, daß die Waffenhändler gegen Einzelpersonen nicht vorgehen. Wenn Sie mir jetzt in kurzen Worten Ihr Problem schildern wollen …“
Fara sank auf seinen Stuhl zurück. Er hätte so gern noch Näheres über Cayle erfahren. Aber er beherrschte sich und beschrieb mit leiser Stimme, was ihm widerfahren war. Als er geendet hatte, sagte die junge Frau:
„Gehen Sie jetzt in den Warteraum und warten Sie dort, bis Ihr Name aufgerufen wird. Dann gehen Sie bitte in Zimmer 474. Vergessen Sie nicht – 474. So, und jetzt der Nächste bitte …“
Sie lächelte höflich, und Fara war schon auf den Beinen, bevor er sich dessen richtig bewußt wurde. Er eilte weiter, einen neuen Korridor entlang, und suchte den Warteraum. Schon von weitem hörte er den Lärm, der hinter seinen Türen hervordrang.
Als er eine der Türen öffnete, traf ihn der Lärm wie ein Faustschlag. Der Warteraum war ein einziger brodelnder Hexenkessel aus durcheinanderquirlenden schreienden Menschen. Was er sah, ließ seinen Atem stocken.
Männer, Männer überall. Tausende davon in einem riesigen Auditorium, die die Sitzreihen füllten, ruhelos auf den Gängen auf und ab wanderten und alle mit fast krankhafter Gespanntheit auf eine riesige in Felder eingeteilte Lichttafel starrten, die die Buchstaben des Alphabets trug.
Immer wieder neue Namen flammten in den einzelnen Feldern, und Männer schrien irr auf und rannten zu den Ausgängen, und all die Leute vermischten sich zu einem Geräusch, das wie das Dröhnen von Brandung in den Ohren klang.
Faras Augen hingen an der Tafel. Jeden Augenblick glaubte er, die Spannung nicht länger ertragen zu können. Jetzt mußte doch endlich auch sein Name kommen. Er war versucht, aufzuspringen, und den anderen zuzuschreien, doch still zu sein, aber er zwang sich zur Ruhe. Und dann …
Clark, Fara,
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