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TS 46: Die Marskolonie

TS 46: Die Marskolonie

Titel: TS 46: Die Marskolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. C. Tubb
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kritzelte Ziffern auf den mit einer feinen Staubschicht bedeckten Boden. Er rechnete. Neunundneunzig Tage. In elf Tagen konnte die erste Ernte stattfinden. In fünfzehn Tagen war mit der Ankunft des Ersatzschiffes zu rechnen. Wenn alles gut ging.
    Winter kam am folgenden Tag zu ihm und ließ sich an seiner Seite nieder. Der Arzt hatte hohle Wangen, in seinen Augen brannte ein unstetes Feuer. Aber das war nichts Ungewöhnliches, denn sie sahen alle krank aus. Sie waren krank.
    „Nun, Doc?“ Hargraves versuchte, nicht allzu hoffnungslos zu erscheinen. „Noch zehn Tage, dann können wir wie die Könige leben.“
    „In zehn Tagen sind wir tot, daran besteht überhaupt kein Zweifel.“ Er betrachtete die stillen Gestalten der ruhenden Männer. „Sehen Sie sich die Leute doch nur an. Sie haben keine Energie mehr, sich zu erheben. Einige können schon nicht mehr richtig schlucken. Ich gebe ihnen noch zwei Tage, Jim. Vielleicht halten wir noch ein wenig länger aus, aber dann …“
    Seine Geste besagte eindeutig, was er dachte.
    „Wie kommt es, daß es uns besser geht?“ wunderte sich der Kommandant. „Niemand von uns bekam anderes oder besseres Essen. Wir hatten alle die gleichen Wasserrationen. Warum sind wir noch aktiver als sie?“
    „Wir sind für ihr Schicksal verantwortlich, das gibt uns eine gewisse Reserve. Auch haben sie schwerer gearbeitet – das wollen wir nicht vergessen. Der wirkliche Grund jedoch liegt tiefer.“
    „Ja.“
    „Im Unterbewußtsein haben sie den Kampf aufgegeben. Eine Begleiterscheinung des Hungers ist die Apathie, die Gleichgültigkeit. Wenn man ihnen jetzt etwas zu essen brächte, würde die Hälfte von ihnen nicht die Kraft aufbringen, etwas zu sich zu nehmen. Sie würden warten, bis man sie fütterte. Uns geht es anders, weil wir uns immer noch Sorgen machen. Wir hoffen, daß die Kulturen reif werden und das Schiff bald landet.“
    „Wir werden solange aushalten!“ sagte Hargraves und starrte in die Glastanks. „Wir könnten schon jetzt die Kulturen essen und sie ersetzen, wenn das Schiff eintrifft.“
    „Nein“, schüttelte Winter langsam den Kopf. „Das können wir leider nicht. Wir hätten vielleicht für zwei Tage Nahrung, und wenn das Schiff unpünktlich wäre, gäbe es keine Rettung mehr. Unter keinen Umständen also dürfen wir mit dem Gedanken spielen, die Kulturen auch nur anzurühren. Wir würden uns selbst der letzten Chance berauben, falls die Rakete nicht kommt.“ Er zögerte unmerklich. „Vielleicht gibt es eine andere Möglichkeit.“
    „Welche?“
    „Vergessen Sie es im Augenblick.“ Der Arzt wich den fragenden Augen des Kommandanten aus. „Ich habe eine Idee. In Chemie war ich nicht besonders gut, aber es könnte klappen.“ Er betrachtete seine. Fingernägel. „Sind Sie eigentlich religiös, Jim?“
    „Was?“ Hargraves starrte Winter an, als zweifele er an dessen Verstand. Dann nickte er langsam. „Ich glaube schon. Sicherlich bin ich genauso religiös wie die meisten Menschen heute. Warum fragen Sie?“
    „Ich habe keinen Grund.“ Winter stand langsam auf, ohne den Kommandanten anzusehen. „Sie schlafen besser, Jim.“
    „Und Sie?“
    „Ich?“ Winter zuckte die Achseln. „Ich habe noch Arbeit.“
    Am nächsten Tag gab es Suppe. Heiß, gut schmeckend und nahrhaft. Winter zwang den Kommandanten, zuerst davon zu trinken, dann fütterten sie gemeinsam die anderen Männer. Die zusammengeschrumpften Mägen nahmen die heiße Flüssigkeit auf. In die Augen kehrte der Schimmer des Lebens zurück. Überraschenderweise fühlte Hargraves keine Neugier, woher die Suppe kam. Winter hatte etwas ausgeklügelt. Er war Arzt und mußte wissen, ob sie schadete oder nicht.
    Es gab mehr Suppe, sehr viel mehr. Die Kräfte kehrten schnell und rapide zurück. Und damit auch die Neugier.
    Nicht bei den Männern. Denen war alles egal, aber Margraves begann, sich Gedanken zu machen. Zehn Tage später, als Weeway triumphierend die erste selbstgeerntete Breimahlzeit servierte, nahm der Kommandant Winter beiseite.
    „Woher hatten Sie die Suppe, Doc?“
    „Spielt das eine Rolle, Jim? Ich sagte doch, daß mir etwas eingefallen sei. Nun, es klappte. Damit sollte der Fall erledigt sein.“
    „Nein!“
    „Doch! Sie können es nicht ändern, Jim.“ Winter zuckte die Achseln, als er zu den Männern blickte, die immer noch auf dem Boden lagen, aber nicht mehr so teilnahmslos wie zuvor. „Wir leben. Die Männer haben es überstanden. Akzeptieren Sie die Tatsachen, Jim,

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